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Grüner Kapitalismus

10/8/2019

 

Selbst von konservativer Seite wird der Begriff heute verwendet. Deshalb will ich für die Kerndynamik der Wirtschaft das Wort Kapitalismus verwenden. Der Kapitalismus braucht ständige Verwertung des Kapitals. Es muss angelegt, etwas produziert und dadurch das Kapital vermehrt werden. Karl Marx hat dies in der Formel G-W-G' dargestellt: G-eld wird investiert in W-arenproduktion. Daraus entsteht mehr G'-eld 
Deshalb ist dem Kapitalismus auch grüne Innovationspolitik sehr willkommen. Selbst radikale Schnitte wir der Ausstieg aus der Kernenergie oder der Ausstieg aus dem ohnehin gegenüber Importen aus der Dritten Welt unrentablen Kohleabbau  sind ihm sehr willkommen. 
Der Kapitalismus selbst, wenn man ihn mal kurz personifizieren darf, hat da nichts gegen, im Gegenteil. Gegen Entwicklungen wenden sich manchmal einzelne Interessengruppen, die in alte Industrien verwickelt sind, wie die Bergbauarbeiter mit ihren Familien oder auch die Stromkonzerne, die traditionell ausgerichtet sind. Sobald diese  für ihren Ausstieg aus der alten Produktionsweise hinreichend entschädigt werden (siehe Steinkohlebergbau), geben sie ihren Widerstand auf. Die Entschädigung passiert mittlerweile meistens ausreichend. Der Staat stellt genügend Mittel zu Verfügung. Entsprechend wird die Lobbyvertretung der Arbeitenden in den Traditionsindustrien (Gewerkschaften, SPD) auch immer schwächer. Man braucht sie nicht mehr für diese Aufgabe. 
Der Ausstieg aus der Kernenergie ist auf diesem Hintergrund auch weniger aus der politischen Motivation oder dem Fukushima-Unglück erklärbar als aus den immensen bisher unkalkulierten Kosten, die die Endlagerung kosten würde. Vielleicht sind die Deutschen hier etwas gründlicher und vorsichtiger im Kalkulieren als andere, die nach dem Prinzip "nach uns die Sintflut" weiter lustig Kernmüll produzieren. 
Die grüne Modernisierung der Technologien mit neuen Produkten ist dem Kapitalismus sehr willkommen. Dies betrifft alle Branchen von Lebensmitteln, Gebrauchsgüter, Energie, Mobilität, Bauen etc.
Etwas Neues, Zusätzliches ist immer gut. Deshalb werden bei den neuen Produkten auch selten ihre ökologischen Herstellungskosten, sondern ihre Verbrauchskosten, wenn sie einmal in neuer Technologie da sind, in den Vordergrund gestellt (siehe LED-Lampen als Straßenbeleuchtung). 

Problematisch wird es nur, wenn Kritiker eine Reduzierung, einen Rückzug aus zusätzlichen Wirtschaftsprojekten fordern. Dann hört der Spaß auf. Aus G weniger W zu machen und dadurch G' kleiner als G werden zu lassen, vermindert das Kapital. Das geht nicht.
Reduzierung im Sinne der Einschränkung gefährdet alles. Der Kapitalismus mit seinem Wachstumsmechanismus steckt schon tief in den Menschen drin. Einer der am besten erforschten verhaltensökonomischen Effekte ist der Besitztumseffekt. Wenn Menschen einmal etwas Bestimmtes besitzen, geben sie es ungern wieder her. Und wenn sich etas Bestimmtes in den Kopf gesetzt haben, passiert oft gleiches. 
Auch die Rückwärtsgewandten, die die vorhandenen Produkte und Industrieformen erhalten wollen, etwa auch Trump, werden für den Kapitalismus nur ein Durchgangsstadium sein. Allerdings kann man auch in einer Durchgangsphase Vieles kaputtmachen, beispielsweise am Frieden in der Welt. Interessanterweise hat Trump auf der Seite der Industrieführer auch wenig Fürsprecher, weil die Entwicklungslogik des Kapitalismus eine andere ist als die eines mittelbegabten Hausspekulanten. 
Der Kapitalismus ist ein ungeheurer Fortschrittsmotor, wenn man in traditionellen Fortschrittskonzepten denkt. Am besten sind überaus ambitionierte Zeitziele wie "Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bis da und da hin" oder drohendes Verbot von Fleisch. Dies befördert gigantische Anstrengungen in den Wirtschaftsbranchen und Unternehmen, hier Alternativen zu schaffen. Jedenfalls scheint der hippe Elektro-SUV, der jetzt vom Band läuft und seinen Strom aus der Steckdose bekommt, kein Problem für den Kapitalismus und die heutigen Verbraucher zu sein. Was da so alles dranhängt und was es zusätzlich an Produktion und damit auch ökologischen Kosten bedeutet, bleibt oft etwas im Hintergrund.
Ob hochtechnologisch hergestellt Lebensmittel wie vegane Hamburger mit Fleischgeschmack letztlich weniger ökologische Kosten verursachen als der Fleischhamburger, kann ich nicht beurteilen. 
Leider sind diese Themen etwas mehr als emotional. Es lohnt sich hinter manche Empörung zu schauen. 
Deshalb noch ein spezielles Thema, Wohnen und Bauen. Nachdem noch in den 00er Jahren das demografische Gespenst des aussterbenden Landes in vielen Expertisen herausgearbeitet wurde, hat sich hier plötzlich etwas geändert. Wohnungsnot wird von allen Seiten beklagt.
Politisch kann sich dem keine Partei entziehen. Wohnungen müssen gebaut werden. "So leid es uns tut, aber Flächen müssen dafür geopfert werden". Durch das Demografiegespenst war die Bauindustrie tatsächlich nicht mehr so beansprucht worden. Die neue Thematisierung, eng verbunden mit dem Anlagesuchen des Kapitals bei Nullzinspolitik hat hier eine Wende geschaffen. 
Aber es gibt nicht nur eine rein kapitalistisch orientierte Baulobby. Genauso existiert eine grüne Baulobby, die von architekturinteressierten Ästheten bis hin zu direkt durch ihren Beruf von Bauprojekten abhängigen Leuten reicht, die sich zu Spezialisten ökologischen Bauens entwickelt haben. Ihre Ideen sind gut und können viel an ökologischem Fortschritt bringen. 
Sie stecken aber in dem Dilemma, dass beim Bauen das Renovieren und Umgestalten des Alten in der Regel bedeutend komplizierter und teurer ist als ein Neubau auf der grünen Wiese. Der Kapitaleinsatz (Intelligenz der Planung, Einsatz von kompatiblen Materialien etc.) beim Umgestalten des Vorhandenen ist höher als der Aufwand beim völligen Neubauen, gerade wenn viele ökologische Investitionen dabei sind.
Dies ist im Übrigen ein sehr altes historisches Phänomen und hat uns viele archäologische Denkmälern zwar als Ruinen, aber noch an ihrem Platz erhalten. Selten haben Eroberer in der Geschichte die eroberten Gebäude weiterbewohnt. Meist haben sie sie lediglich als Steinbrüche für ihre Neubauten benutzt. 
Was ist aus dem Ganzen zu schließen? Einen Totalrückzug aus der kapitalistischen Logik werden die Menschen kaum mitmachen können. Aber vielleicht ist das G´ mehr qualitativ und sogar mit Umverteilungsaspekten zu realisieren. Umverteilung meint, dass wir tatsächlich dort etwas machen, wo es gebraucht wird. 
Trotz der dämlichen Form, die der Fleischproduzent und Schalke-Präsident Tönnies in seiner Aussage zu Afrika gewählt hatte, war ja etwas dran. In Sonnenenergie in Afrika zu investieren, erscheint für die ganze Welt ein plausibles Projekt zu sein. Die Alternative, zu warten, bis wir hier afrikanische Wetterverhältnisse haben, besteht natürlich nach den Erfahrungen der letzten Jahre auch, aber kann ja nicht ernst geeint sein.
Man kann Vieles tun, wird die Logik des Kapitalismus aber nicht kippen. Dazu sind die Menschen in ihrem Wohlstand (noch) nicht gezwungen, deshalb auch nicht bereit. Aber es gilt, genau hinzuschauen, wie qualitatives Wachstum ohne unnötigen Umweltverbrauch zu realisieren ist und nicht einfach den einfacheren Weg zu gehen. 



Lit.: Mohr, G. (2015): Systemische Wirtschaftsanalyse, Die Psycho-Logik der Wirtschaft: Mensch und Ökonomie in Einklang bringen, Bergisch-Gladbach: Edition Humanistische Psychologie. 

Glück

20/3/2019

 
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Heute am Weltglückstag beginnt eine kleine Serie über das Glück. Wer will nicht glücklich sein?
Das Glück fasziniert uns sehr. Aber wie ist es zu erreichen? Wie ist es festzuhalten? Zunächst wird Glück damit identifiziert, nicht mehr so viele Bürden und mehr Wahlmöglichkeiten zur Verfügung zu haben. Frühere Generationen, die noch in Maslows Bedürfnispyramide (Physiologisch, Sicherheits-, soziale und Selbstverwirklichungsbedürfnisse) mehr mit den Grundbedürfnissen befasst waren, würden uns wahrscheinlich beneiden, wie gut wir es haben. Andererseits hatten sie auch nicht unseren Stress mit Beschleunigung, Qualitätserfordernissen, Sozialkompetenzansprüchen und Selbstoptimierung. Aus dieser Perspektive hatten die es früher vielleicht besser, hätten glücklicher sein können, weil es noch um etwas, vielleicht sogar Wesentlicheres ging. Das Glück scheint also zwei interessante Ebenen zu haben, eine materielle und eine mentale. Das Sein bestimmt das Bewusstsein, meinte Karl Marx bemerkt zu haben. Aber vielleicht gilt das doch nicht fürs Glück?

Nun kommt der Ansatz von Mathias Binswanger ins Spiel. Er beschreibt „Die Tretmühlen des Glücks“. Der Untertitel „Wir haben immer mehr und werden nicht glücklicher“ wird mit der Frage „Was können wir tun?“ abgeschlossen. Damit hat er schon seine Haupthypothese offengelegt: Eine oberflächliche Glücksvorstellung wie möglichst viel Geld haben scheint nicht zu reichen. Er benennt vier große Tretmühlen, die in Richtung des Glücks versucht werden, die aber nicht zum Erfolg führen. Die erste ist die Statustretmühle, nach der Leute versuchen, durch höheren Status mehr Glück zu erreichen. Die höhere Position, das Angesehenersein in der Gesellschaft verspricht vermeintlich Glück. Die zweite ist die Anspruchstretmühle, nach der wir unsere Konsum- und Verbrauchsniveaus nach oben schrauben. Eine bessere Versorgung mit Gütern in allen Bereichen erhöht das Glück. Leider gilt das auch für Milliardäre: Mehr als essen kann man nicht. Die Multioptionsmühle stellt dann das Sich-Verlieren in den vielen Wahlmöglichkeiten und die Komplexität des heutigen Lebens vor. Mehr Optionen, mehr Freiheit zu Wählen erbringt das Glück auch nur bis zu einem bestimmten Punkt. Die vierte Tretmühle benennt das Zeitsparen. Mehr Effektivität und mehr Effizienz mit resultierendem größerem Zeitspielraum scheint uns, wenn es möglich ist, auch nicht attraktiv. 

Als Ökonom sieht Binswanger als Dilemma des modernen Wirtschaftens, dass es kein Wachstum gibt ohne die Tretmühlen. Deshalb produziert die Wirtschaft oder wir alle zusammen als Kollektiv diese Dynamiken, die er Tretmühlen nennt. Was ist nun zu tun? Binswanger offeriert ein Zehn-Punkte-Programm. Es setzt sich zusammen aus einer entschiedenen Aufmerksamkeit für das, was man tut, aus dem Abschied von vorgegeben Rollenmustern und aus dem Heraushalten vom Vergleichen. Letzteres kommt in mehreren seiner Tipps vor: keine Verherrlichung von Wettbewerb, keine Rankings mehr. Er greift aber auch ökonomisch ein: Verpflichtende Beschränkungen und insbesondere auch der Spitzengehälter. Dies habe eine lange Tradition und lasse sich bis zu den Römern zurückverfolgen. Es wäre vor allem als Medizin gegen die Statustretmühle interessant. Binswanger erwähnt hier auch die vom Urliberalen Adam Smith interessanterweise vorgeschlagene Luxussteuer, mit der dieser im Vertrauen auf die Schattenseiten des Menschen eine stetige Einkommensquelle für den Staat wähnte. Binswanger selbst scheint eher einer progressiven Einkommensteuer zuzustimmen, die den endlosen Drang nach noch mehr Einkommen zu erzielen, mäßigt. Dies ist allerdings in der theoretischen Ökonomie heute ein umstrittenes Argument. Abschließend fordert der Autor die Leser auf „Üben Sie sich in der Lebenskunst!“ Dazu zitiert er den großen Ökonomen des 20. Jahrhunderts: John Maynard Keynes, der für unsere jetzige Zeit den großen Wohlstand schon prognostiziert hatte, aber uns gleichzeitig dann in dem wirklichen Problem sieht, nämlich seine Zeit gut zu verbringen, „um vernünftig und angenehm und gut zu leben“ (S. 207). 

Ein nachdenkenswertes Buch liegt hier vor- Binswanger ist ein bekannter Ökonom. Er ist „gemäss dem Ökonomen-Einfluss-Ranking der Neuen Zürcher Zeitung im Jahr 2017 auf dem dritten Platz der einflussreichsten Ökonomen der Schweiz und der Ökonom mit dem grössten Einfluss in der Politik“, so verrät der Klappentext. Er entschuldigt sich quasi hier ein populärwissenschaftliches Buch geschrieben zu haben. Die Grundidee des Buches ist ursprünglich von 2006. Offensichtlich hat sich nicht viel geändert, verblüffenderweise auch durch den großen Einschnitt der Wirtschaftskrise ab 2008 nicht. Wir machen einfach so weiter. Eigentlich müsste er als Ökonom auch von der Überproduktionskrise sprechen- Aber dies ist eine marxistische Hypothese, die einem traditionell ausgebildeten Ökonomen heute nicht mehr "steht". Dennoch beschreibt er wunderbare Beispiele, wie Überproduktion beispielsweise im Lebensmittelbereich vorkommt. Gleiches könnte man auch heute bei den Automobilen so sehen, wo man versucht, selbst kriminell verursachte Krisen zum Angebot für Neuanschaffung bei gleichzeitige Verschrottung des Bisherigen zu drehen. 

Insgesamt liegt hier ein interessanter Entwurf vor, sich dem Glück zu nähern. Die Ökonomenbrille bleibt deutlich erkennbar. Vielleicht sind die Ökonomen bis zu einem bestimmten Wohlstandsniveau, mit dem das Glück auch steigt, Experten für mehr Glück. Aber - und das sieht Binswanger klar - ab einem bestimmten Punkt sind andere Dimensionen der Lebenskunst wichtig. 
Binswanger, M.: Die Tretmühlen des Glücks. Freiburg: Herder, aktualisierte Neuausgabe, 2019. 

Framing - Die instrumentalisierte Psychologie

20/2/2019

 

Die Framing-Debatte um das Papier der ARD ist äußert spannend. Framing als Rahmung im Sinne des Vorgebens von Deutungsmustern, gibt es in einigen psychologischen Methoden. Schematheorie und Neuro-Linguistisches-Programmieren sind nur einige Beispiele. Das vorliegende Gutachten für die ARD empfiehlt den Vertretern der ARD hier ganz bestimmte Sprachformeln.  „Entgegen dem gängigen Mythos entscheidet der Mensch sich nicht ‚rein ratio­nal’ und aufgrund einer ‚objektiven’ Abwägung von Fakten für oder gegen Din­ge, denn objektives, faktenbegründetes und rationales Denken gibt es nicht, zumindest nicht in der Form, in der es der Aufklärungsgedanke suggeriert. Je­des Verarbeiten von Fakten findet innerhalb von Frames statt – und ein und derselbe Fakt erlangt in unterschiedlichen Frames ganz unterschiedliche und oft sogar gegensätzliche Bedeutungen“ (S. 14). Das Gutachten empfiehlt, die Begriffe der Gegenseite nicht aufzugreifen, weil das Gehirn keine Negation verstehe. Hebbian Learning wird erwähnt, was eine bekanntes Lernprinzip, nämlich das der Wiederholung von Lernprozessen darstellt. Das Hebb'sche Gesetz lautet Neurons that fire together, wire together. So werden Gewohnheitsmuster aufgebaut, konditioniert, hätte man früher gesagt. Gleichzeitig wird die Erkenntnis genutzt, dass man Gefühle erzeugen soll. Und das soll vor allem mit moralischen Urteilen geschehen. Man soll sich nicht auf Fakten beziehen, sondern moralische Urteile fällen.  Was mich daran stört, das Psychologie hier instrumentalisiert, in merkwürdiger Form gesehen (Hauptwirkung durch moralische Urteile) und als einziger Zugang gewählt wird. Das Gutachten ist interessant, aber eben nicht interdisziplinär, sondern rein von einer einseitigen psychologischen Perspektive heraus verfasst. Das Deutungsmuster der Ökonomie fehlt. Die Gutachterin deckt die Mechanismen der Gegner auf. Es hat den Anschein, dass die eher frühkindlich anmutenden Reaktionen für Erwachsene verallgemeinert werden. Man fühlt sich etwas an Gehirnwäsche erinnert. Man kann allerdings ebenso aus ökonomischer Perspektive auf die Bereitstellung von Gütern schauen. Und da stellt sich schon die Frage, ob es wirklich ein sinnvolles Frame ist, die öffentlich-rechtlichen Medien nicht im Wettbewerb mit anderen zu sehen, sondern als etwas, das wir alle selber sind. Dieser Identifikationsversuch wirkt etwas unbeholfen.  Ich glaube, das der guten deutschen Institution der öffentlich-rechtlichen Medien kein guter Dienst erwiesen wird. Das Papier wurde auf Netzpolitik.org veröffentlicht. https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2019/02/framing_gutachten_ard.pdf

Literatur:  Mohr, G. (2015): Systematische Wirtschaftsanalyse, Die Psycho-Logik der Wirtschaft: Mensch und Ökonomie in Einklang bringen, Bergisch-Gladbach: Edition Humanistische Psychologie. 

Der Mythos Komplexität

15/12/2018

 

Ist die Welt heute wirklich komplexer, wie gerne behauptet wird. Die VUKA-Welt existiere mit Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (Mehrdeutigkeit), alles sei anders geworden. Menschen, denen ich in 2018 in aller Welt begegnet bin, haben immer noch die gleichen Themen. Sie sorgen sich um ihr aktuelles Auskommen und die Lebenschancen ihres Nachwuchses. Meiner Erfahrung sind die Probleme der einfachen Leute überall in der Welt sehr ähnlich. 
Klar, in reichen Gegenden in Europa und Amerika kommen die Menschen mit den Grundbedürfnissen besser klar. Aber glücklicher sind sie dadurch nicht. Sie leiden dort unter Komplexität. Sind die großen Themen und die Komplexität dann nicht eher etwas Mediales?
Oder ist es ein Wohlstandseffekt? Wenn man schon viel hat, immer mehr zu wollen, noch mehr zu optimieren etc.  Natürlich hat die Vielfalt der Produkte zugenommen. Das oft beschriebene Joghurt-Regal des Supermarkts zeigt dies. Auch die Produktvariationen und die Vorschriften für Produkte haben ungeheuer zugenommen: Zusammensetzung, Qualitätsnormen, Umweltnormen, ....
Was auch zugenommen hat, ist die Anzahl und die Unmittelbarkeit der Informationen, die zugänglich sind. Menschen, die sich für die Welt interessieren, werden mit Informationen überflutet. Längere Bücher oder längere Artikel zu lesen, ist kaum noch möglich und wird eher unüblich. Aber auch das ist keine Komplexität. Es ist lediglich mehr geworden, aber nicht unbedingt komplexer. Komplexität soll ja das sein, wo wir nicht wirklich durchblicken, weil die Zusammenhänge nicht klar und transparent sind. Wissenschaftlich betrachtet gab es davon aber in vergangenen Zeiten bedeutend mehr als heute. Wie konnte man früher das Nichtwissen aushalten? Aber viele technische Produkte sind doch selbst von technisch versierten Menschen weniger zu durchblicken. Bei Lichte betrachtet war auch das früher für viele schon der Fall. Wer konnte schon die komplizierten Zusammenhänge von Maschinen durchblicken? Die, die früher als Autoschrauber noch ihren Wagen zerlegen und wieder zusammenbauen konnten, sind vermutlich beim Tesla überfordert, wenn es in die Einzelheiten geht. Aber auch das hat nicht mit Komplexität zu tun.  Oft wird vorgebracht, dass durch die demokratischen Beteiligungsprozesse Entscheidungsprozesse etwa dass jetzt alle ein Mitspracherecht haben, die Komplexität erhöhe. Aber ist das Komplexität oder Transparenz und Demokratie? Die Welt ist vielleicht doch nicht komplexer geworden. Sie zeigt sich nur mehr so wie ist. 

Literatur: Mohr, G.: Systematische Wirtschaftsanalyse - Mensch und Ökonomie in Einklang bringen, Bergisch-Gladbach: EHP. 

»Ich bin bereit, jeden Tag zu gehen – nur heute und morgen nicht!« Die Heidelberger Hundertjährigen-Studie

30/11/2018

 
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Manchmal gibt es interessante Forschung. Kürzlich ist mir noch einmal die „Zweite Heidelberger Hundertjährigen-Studie: Herausforderungen und Stärken des Lebens mit 100 Jahren“ in die Hände gefallen. Zentrales Ziel der von der Robert Bosch Stiftung und der Dietmar Hopp Stiftung zu gleichen Teilen geförderten zweiten Heidelberger Hundertjährigen-Studie war die Untersuchung der Herausforderungen, aber auch der Stärken und Potentiale, die ein Leben mit 100 Jahren kennzeichnen.

Was bewegt 100-Jährige? Wie geht es ihnen? Was brauchen sie? Interessant sind schon die statistischen Daten. Zwischen den Jahren 2000 und 2010 stieg die Zahl der über 100-Jährigen von 5 937 auf 13 198, was einer Zunahme um 122 % entspricht. Außerdem sind heutige 100-Jährige im Durchschnitt fitter als frühere. Die am häufigsten erhaltene Fähigkeit war in dieser und auch in der früheren Studie das selbständige Essen. Der Anteil hat sich hier von 61 % auf 83 % statistisch bedeutsam erhöht. Die große Mehrzahl braucht aber natürlich Pflegedienstleistungen.

Am wichtigsten ist ihnen für das Wohlbefinden, dass sie von anderen Menschen umgeben, nicht einsam sind. Was hat „innerlich jung“ gehalten? Viele berichteten, dass sie leicht zum Lachen zu bringen seien. Außerdem hatten die Zufriedenen noch Ziele. Keine großen Dinge, aber den Enkel noch heiraten sehen, wurde als Ziel genannt. Vor dem Tod hatte man wenig Angst. Aber die Art des Sterbens, etwaige Schmerzen vorher, wurden befürchtet. Der Satz in der Überschrift zeigt die Erwartungen ganz gut: »Ich bin bereit, jeden Tag zu gehen – nur heute und morgen nicht!«

https://www.gero.uni-heidelberg.de/md/gero/forschung/zweite_heidelberger_hundertjaehrigen_studie_2013.pdf 
(zuletzt gesehen: 29.11.2018)

Agilität? - Ist Agilität nur ein kapitalistisches Ablenkungsmanöver?

24/11/2018

 

Agilität hat sich mit dem agilen Manifest als Antwort auf Probleme im Marktprozess der Softwareproduktion entwickelt. Damit einher gingen veränderte technische Möglichkeiten der Digitalisierung. Dies fand in einer Welt zunehmender Globalisierung statt. Entstanden sind mittlerweile monopolistisch anmutende Strukturen durch die großen fünf (Apple, Microsoft, Facebook, Google, Amazon). Die gestern noch rücksichtslos alle Konkurrenten beseitigenden Unternehmer sind zu Management-Ikonen geworden (Steve Jobs) oder haben sich heute als Welt-Philantropen (Bill Gates) etabliert. Dies vernebelt zum Teil die Machtposition dieser Unternehmen. 
Gleichzeitig werden neue Formen des Arbeitens (New Work), von einigen propagiert wie etwa Laloux´s Reinventing organization oder Robertsons Holacracy (Mohr, 2019). 
Die drei Elemente, technischer Fortschritt, Globalisierung und der New-Work-Ansätze sind dabei deutlich voneinander zu unterscheiden. Der technische Fortschritt ist sowohl nach der Theorie als auch der Praxis in den Volkswirtschaften immer der Treiber für wirtschaftliche Veränderungen. Menschen waren in der Erfindung neuer technischer Möglichkeiten stets sehr kreativ, in der Nutzung waren sie oft schamlos und haben moralische und grausame Varianten realisiert. 
Die Globalisierung dagegen ist durch die Notwendigkeit der erweiterten kapitalistischen Verwertung und Eigendynamik entstanden, um die ganze Welt als Markt zur Verfügung zu haben. 
Dass Globalisierung und technische Möglichkeiten alles in aller Welt kommunizieren, auch den Wohlstand der reichen Länder, hat Wanderungsbewegungen entstehen lassen, um an diesem Wohlstand teilzuhaben. Die Migration hat nicht nur mit den Konflikten und den Waffen in der Welt zu tun, sondern zentral mit der Armut und der Ungleichheit der Lebensverhältnisse, die viele Arme heute nicht mehr akzeptieren, sondern einfach veranlassen, zu den Möglichkeiten hinzugehen. Hiermit haben die einfachen Geister, die Komplexität in Gesellschaften nicht ertragen können, große Schwierigkeiten. Aber auch sie werden die Wanderungen nicht aufhalten. Dies ist in der Historie bisher nie gelungen. Es hat manchmal ein bisschen gedauert wie bei Germanen und Römern oder Mongolen und Chinesen. 
Die genannten New-Work-Initiativen (Laloux, Robertson ...) stehen in der Tradition mehrerer Wellen von humanistischem Gedankengut für die Arbeitswelt. Schon die Frühsozialisten wie Saint-Simon und Owen haben im 19. Jahrhundert humane Arbeitsbedingungen erstrebt, bevor Marx dann eine fundamentale Kritik des Wirtschaftssystems verfasste. Dann kamen in den 1930er Jahren in Amerika nach den Hawthorne-Experimenten durch die humanistische Psychologie wieder Impulse für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Nicht zu vergessen sind auch ein Jahrhundert Versuche der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften, die Arbeitsbedingungen zu humanisieren. Im Beispiel Deutschland wurde mit dem „Schlechtwettergeld“ volkswirtschaftliche Kompetenz und Arbeitsplätze, volkswirtschaftliche Nachfrage, damit das Bruttosozialprodukt in der Krise 2008 und danach erhalten. Die EZB hat mit permanenter Niedrigzinspolitik dann entgegen aller bisheriger Expertise den volkswirtschaftlichen Film am Laufen zu halten versucht und sogar bisher recht erfolgreich. 
Aber die Zukunft: Digitalisierung wird die durch Muster und Routinen geprägten Formen intelligenter menschlicher Arbeit ersetzen (Lönneker, 2018, S. 21). Genau diese Routinen machen bisher so genannte Berufserfahrung aus. 
Es geht nicht um Arbeitsergänzungsstoffe wie Scrum, Design Thinking, Dialog, selbst Meditation oder Ähnliches. Diese werden oft in einer Form realisiert, dass sie nur die bestehende Logik verstärken. Design Thinking wird dann als reines Format durchgezogen und setzt keine Kreativität frei. Meditation soll zu anschließender Beschleunigung dienen. Dialoge werden durch Macht oder Ideenklau von Einzelnen ausgenutzt.  
Wir müssen neue Wirtschaftsidentitäten entwickeln, die wir heute noch nicht endgültig kennen. Ob die seit den 1990er Jahren wiederbelebte liberal-kapitalistische Wirtschaftsorientierung das erreichen kann, erscheint sehr fraglich. Unternehmen als Vermögensvermehrer einiger weniger, ein Steuersystem, das Arbeit besteuert, alles das passt nicht mehr. Menschen, die dazu erzogen werden, Chefs zu folgen, werden nicht mehr gebraucht. Denn diese Chef-Mittarbeiter-Beziehungen passen auch nicht mehr. Die Chefs haben nicht dieses Wissen, die Mitarbeiter müssen ihre Intelligenz zeigen dürfen.

Die neue Wirtschaft braucht neue Rahmenbedingungen. 
Literatur:
Lönneker, J. (2018): Traum oder Albtraum? Zur Identitätsbildung im Zeitalter der Digitalisierung, in:n Wirtschaftspsychologie aktuell, 3, S. 21-26.
Mohr, G. (2019, i.D.): New Work - Organisationsrevolution? Hamburg: tredition.
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Wieviel kann man beim agilen Arbeiten in Frage stellen? Hier scheiden sich schnell die Geister. Führung müsse doch sein. Insbesondere Ziele müssten weiter von der Unternehmensleitung vorgegeben werden, schreibt ein CAO (Chief Agile Officer). Die Mitarbeiter und die Teams würden dann über den Weg zu den Zielen entscheiden können. Wirklich? Ist das mit agil gemeint?  
Die Logik der Unternehmen hat sich durch das Scheitern der neoliberalen Wirtschaftsform in der letzten Krise seit 2008 verändert. Das letztlich aus dem einen Ziel, dem shareholder value heruntergebrochene Zielsystem durch ganze Organisationen hindurch hatte abgewirtschaftet. Was damals in der deutschen Wirtschaft rettete, waren Improvisation und Flexibilität in Firmen gekoppelt mit Errungenschaften der Arbeiterbewegung wie dem Kurzarbeitergeld. Das Führen mit Zielen wurde grandios überschätzt, war so oft nicht einzuhalten. Es sollte den Managern nur Sicherheit gegenüber der Kapitalseite bringen. Führen mit Zielen hat sich nirgends als Resilienzfaktor gezeigt.
Parallel dazu läuft die informationstechnologische Revolution weiter. Gerade die Softwarefirmen konnten dann mit ihrer festen Zielgröße keinen Kundenwunsch mehr  vernünftig abarbeiten. Mit dem bisherigen System war es nicht mehr aufzufangen. Das Agile Maifest kam. Das brachte dann zwei Ideen auf: Transparenz in der Arbeit und Struktur durch ein sportähnliches Verfahren, Scum genannt. Product Backlog, Daily Scrum, Product Owner, Scrum Master, Sprint, Retrospektive, Struktur der Selbstführung. Man übernahm Prozeduren, die es in anderen Arbeitsbereichen, z.B. im Gesundheitswesen im Klinikalltag schon lange gab.
Aber was ist mit der Führung. Problematisch wird es an der Schnittstelle zwischen den operativen Teams und dem Management oben, das ja auch mit der Kapitaleignerseite verbunden ist. Das Musterbeispiel der holländischen Buurtzorg braucht keine Zielführung, wenn man Lalouxs „Reinventing Organisations“ zu Rate zieht. Oder auch "Ein Arbeiter kauft eine Maschine“, der geflügelte Satz des New Work, zeigt Beweglichkeit auch in der Verantwortung.  Wie ist dann mit der Führung? Können das Leute nicht alleine oder gibt es gar ein Bedürfnis nach Führung? Der Transaktionsanalytiker Eric Berne hat es aus dem Grundbedürfnis nach Struktur bei Menschen abgeleitet. Aber war das nicht nur ein Relikt aus den autoritären Zeiten? Und mit Struktur meint er vor allem Zeitstruktur. Was ist wann angesagt? Wann will oder muss ich was tun? Menschen bilden dazu gerne Routinen und Gewohnheiten, was einerseits nicht immer agil ist, andererseits im Scrum gerade geübt wird. Und folgt man Brian Robertsons Holacracy-Vorschlag, so bleibt Einiges für die Konflikte bereitzuhalten, die Menschen normalerweise miteinander produzieren. Process Facilitators braucht es an allen Ecken. Und immer wieder die Klage, das Agile ginge doch nicht mit allen. Wie müssen Menschen eigentlich sein, um agil arbeiten zu können? 
Aber braucht man da noch Führung oder braucht man Coaches mit Mut?
Lit.:
(2015): Systemische Wirtschaftsanalyse. Bergisch-Gladbach: Edition Humanistische Psychologie.
(2017): Resilienzcoaching für Menschen und Systeme, Grevelsberg: Edition Humanistische Psychologie. 

Rupert Sheldrake „Die Wiederkehr der Spiritualität“

4/10/2018

 
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​Rupert Sheldrake hat in einem Vortrag beim Frankfurter Ring am 3. Oktober 2018 über sein neuestes Buch „Die Wiederkehr der Spiritualität“ gesprochen. Sheldrake ist eigentlich durch seine These der morphogenetischen Felder bekannt geworden, in denen er feststellt, dass ein an einem Ort einmal stattgefundener Lernprozess diesen an einem anderen Ort schneller vollziehen lässt, weil er darüber in der Natur eine Verbindung sieht. Beispiele von Lernprozessen bei Tieren, die an einem Punkt der Welt etwas bestimmtes neu lernten, was zu einem schnelleren Lernen bei der gleichen Spezies am anderen Ende der Welt führte, kamen dazu auch in seinem Vortrag vor. In seinem neuesten Buch wendet er sich der Spiritualität zu, die er vor allem seit der Reformation im 16. Jahrhundert in vielen Praktiken zurückgedrängt beschreibt und wo er jetzt eine Wiederkehr sieht. In seiner Kindheit habe man solche Begriffe wie Yoga und Meditation in England, wo er lebt, überhaupt nicht gekannt. Heute gäbe es dazu überall viele praktische Angebote. 


​Er beleuchtet sieben Praktiken der Spiritualität näher, die er heute sehr im Kommen sieht. Darunter fasst er: 
  • Danken, 
  • Meditation, 
  • Naturerleben, 
  • Beziehung zu Pflanzen, 
  • Rituale, 
  • Pilgern und 
  • Singen. 
Er unternimmt dabei den Versuch, die einzelnen Praktiken wissenschaftlich zu belegen. Interessanterweise beginnt er mit der Handlung des Dankens und der Haltung der Dankbarkeit. Dies komme in allen spirituellen Richtungen vor. Für die Effektivität und den Nutzen des Dankens führt er als Beleg vor allem die so genannte Positive Psychologie, die seit etwa 1990 untersuche, was gesund mache, an. Menschen, die dankbar seien und Dankbarkeit zeigen, seien glücklicher und gesünder. Das Gegenteil sei Anspruchsdenken, das es aufzugeben gelte. Einzelne Studien mit Menschen, die man zum Zeigen von Dankbarkeit ermuntert hatte, hätten ergeben, dass die Menschen als eigene Rückwirkung für durchaus längere Zeiträume sehr positive Gefühle empfanden. Sicher ist eine Haltung zum Leben, die auch für kleine Dinge und Menschen gegenüber Dankbarkeit enthält, für den Betreffenden und sein Umfeld angenehm. Allerdings ist die Positive Psychologie auch dafür in der Kritik geraten, dass sie in den USA von konservativen politischen Kräfte sehr unterstützt worden sein soll, weil sie den Fokus von der Veränderung von Verhältnissen erst einmal wegnimmt.
Meditation sieht Sheldrake im Osten im Hinduismus und Buddhismus begründet, aber auch in der klösterlichen Tradition im Christentum, wo sie Kontemplation genannt wird. Die positive Wirkung auf Menschen sei in vielen Studien belegt. Dem kann man hier nur zustimmen. Gerade durch die Studien zu MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) - Programme liegt hier Einiges an Belegen vor. In den östlichen, religiösen Traditionen werden noch wichtige Zusammenhänge zum Glaubensbild der jeweiligen Religion gezogen. Im Hinduismus wird das Spüren des eigenen inneren Bewusstseins mit dem großen Bewusstsein des Universums im Zusammenhang gesehen. Darin liegt der Versuch, Spiritualität erfahrbar zu machen. Interessant ist hier sicher, dass die erfahrenen Bilder auf spirituellen Wegen immer kulturell geprägt sind. Im Christentum erleben Menschen andere Bilder als im Hinduismus und Buddhismus. 
Bezüglich der Rituale, die nach Sheldrakes Auffassung ein Charakteristikum vieler spiritueller Richtungen sind, sprach er zunächst über Übergangsrituale, die sogar manchmal auch sehr bedrohlich werden könnten, etwa wenn Jugendliche allein für eine Zeitlang in den Urwald oder in die Wüste gehen müssten. Dies bildete eine Brücke zur Symbolik von Tod und Wiedergeburt, die in Ritualen oft vorkäme. Interessante Bemerkungen machte er in diesem Zusammenhang generell zu den Nahtoderlebnissen. So wiederholt sich in den Berichten das Erleben des durch einen Tunnel Müssens, dann im Licht zu sein und schließlich wieder zurück Müssens, obwohl die Betreffenden es oft selbst gar nicht mehr wollten. Durch die Verbeserung der Medizin gäbe es mehr Berichte, weil das Zurückholen der Menschen etwa nach Herzinfarkt einfach häufiger sei. Die Nahtoderfahrung schaffe in den meisten Fällen eine Art Wiedergeburt. Die Menschen änderten ihr Leben. Hier kann man ihm nur zustimmen. Menschen wenden sich dann eher Menschen zu. Sie werden selten Investmentbanker oder Controller. 
Interessanterweise deutete er auch die Taufen im Christentum durch längeres Untertauchen am Anfang als Herbeiführen eines Nahtoderlebnissen. So habe ja Jesus durch die Taufe bei Johannes dem Täufer die erste Gottesnäheerfahrung erlebt. 
Neben den Übergangsritualen ging er auf Zugehörigkeitsrituale ein. Rituale förderten die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, einer Nation, indem ihre Mythen immer wieder zelebriert würden. Hier kämen auch seine morphogenetische Felder in Betracht, da sie ja den Zusammenhang zwischen etwas früher Geschehenem und einer aktuellen Begebenheit herstellten. Die Vergangenheit un die Gegenwart werden in Beziehung gebracht. Das jüdische Pessachfest als kollektive Erinnerung an den Auszug aus Ägypten, die christliche Kommunion als Wiederholung des Abendmahls von Jesus und seinen Jüngern.
Das Thema Pilgern schilderte er ebenfalls ausführlich in seiner Tradition. Die Reformation habe hier zu einem Abbruch geführt, da damals Pilgern in vielen Ländern verboten wurde und vor allem die Infrastruktur der Klöster für die Versorgung der Pilger auch zerstört wurde. Das Pilgern symbolisiere das auf dem Weg sein. Die Engländer hätten dann - fügte er nicht ohne Humor hinzu - den Tourismus erfunden. Aber die Leute würden heute Kathedralen und heilige Orte rationalistisch, mit vorgeschobenem kunsthistorischen Interesse besuchen, aber dadurch, dass sie dort nicht wirklich bewusst sein, keinen Segen mitnehmen, wie es die Menschen früher taten. 
In der anschließenden Fragerunde kamen noch interessante Punkte zusammen. So fasste er seine Erkenntnisse über die Reinkarnationsforschung zusammen. Einerseits seien da einige Beispiele von Kindern, die sehr genau über ein früheres Leben berichten könnten. Die meisten Menschen hätten keine Erinnerung. Insofern sei das für ihn eine offene Frage.  Er bezog sich in dem, was wir von früheren Leben übermittelt bekommen eher auf das kollektive Unbewusste nach C.G. Jung.
Insgesamt gilt für Rupert Sheldrakes morphogenetische Resonanztheorie immer noch, dass sie wissenschaftlich nicht anerkannt ist. Seine Hypothese ist sehr interessant. Es fehlt ihr für viele allerdings etwas die kausale Plausibilität mit materiellem Zusammenhang und Forschungsvorhaben, seinen Ansatz zu bestätigen, stehen im Prinzip noch an. Zu einer Parallelität seines Ansatzes mit neueren quantenphysikalischen Hypothesen befragt, sah er darin weniger einen Zusammenhang, weil seine Resonanz ohne eine physikalische Verbindung stattfinde. Sein Vortrag enthielt nichts absolut Neues. Dennoch war ihm gut zuzuhören und die Struktur war gut. Er zeigt eine offene wissenschaftliche Haltung Themen gegenüber und 
Ein kleiner Hinweis noch: Tagung „Transaktionsanalyse und Spiritualität“ in Kassel am 12./13. Oktober 2018. DGTA



Analyse der Deutschen Fußballnationalmannschaft in ihren Systemdynamiken

16/7/2018

 
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Mithilfe von zehn Systemdynamiken lässt sich ein System hinreichend beschreiben, um Entwicklungs- und Veränderungsmöglichkeiten zu identifizieren.
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1. Die Dynamik der Aufmerksamkeit

Die wichtigste Systemdynamik ist die Dynamik der Aufmerksamkeit (Attention). Womit beschäftigen sich die Beteiligten innerlich? Was denken sie, was sie tun? Ist es das, was zur Zeit nötig ist? Ist es realitätsadäquat, was sie sich gerade vorstellen, was sie zu tun haben? Hier hat die von der Führung in einem System verbreitete Maxime großen Einfluss. Bei der Fußballnationalmannschaft war es das Vorstellungsbild „Verteidigen“, den Titel verteidigen. Dies ist in einer eigentlich auf Zugewinn, also mehr Tore als der Gegner abzielenden Bewegungssportart eine defensive Ausrichtung. Immer wieder war auch davon die Rede, dass man Weltmeister ist. Dies war man aber tatsächlich vor vier Jahren. Heute fing man real bei Null an, was sich ja auch bös bewahrheiten sollte. Verteidigen heißt, man stellt sich vor, man ist irgendwo und will nicht dort weg. Dies war eine fatale Ausrichtung. Die völlig ungewohnt behäbige und risikolose Spielweise hat dies möglicherweise realisiert. 
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2. Die Dynamik der Rollen
Die Rollen schienen seit langem sehr klar und fest. Der Bundestrainer ist der unangefochtene Chef. Oliver Bierhoff ist das Sprachrohr für alles andere nach außen.
Manuel Neuer, obwohl er ein Dreivierteljahr nicht gespielt hatte, blieb die Nr 1 der Spieler. Ein anderer Torhüter (Tersteegen), der sich die ganze Zeit hervorragend eingesetzt hatte, wurde wieder degradiert. Neuer wurde Tersteegen dann vor die Nase gesetzt, anstatt ihn zur Nummer zwei zu machen. Tersteegen war klug genug, sich nicht zu monieren, weil das anderen schon zum Verhängnis geworden war. Die Führung wurde von den fatalerweise Weltmeister genannten Spielern dargestellt. Die ConFed-Cup-Gewinner spielten eine untergeordnete Rolle. Das Mantra „Wir brauchen Spielerpersönlichkeiten“, eine „Achse von Führungsspielern“ machte die Runde, ist aber auch nur magisches Denken. Fußballspielen scheint doch eher das Zeigen von Engagement und Leistung auf dem Platz abzuhängen. Danach hätten wohl eher Werner und Brandt hier wichtig sein können, die einzigen, die mal etwas Geschwindigkeit zeigten. Möglicherweise bestand hier auch der Gegensatz zum vermeintlich besten deutschen Spieler, Toni Kroos, der das Spiel kontrolliert, aber eben verlangsamt, was in Madrid kein Problem ist, aber hier schon.

3. Die Dynamik der Rollenbeziehungen
Sie sind vor allem durch lange Treue gekennzeichnet. Gleichzeitig ist eine gewisse Gefolgschaft nötig. So wie vorher Joachim Löw Lukas Podolski lange über dessen Leistungshoch hinaus treu war, setzte er auf die vertrauten Spieler. So sind Spieler wie Boateng, Gomez und Müller nominiert worden, obwohl sie von ihrer Form her in der letzten Zeit fraglich waren. Wagner, Petersen, Sane wurden zu Hause gelassen. Ein enfant terrible wie Kruse, der im letzten Jahr gut gespielt hatte, kam nie mehr in Betracht. Man musste moralisch irgendwie einwandfrei sein.

4. Die Dynamik der Kommunikation
Wie man innen kommuniziert oder nach außen auftritt, ist hier zu betrachten. Man war von der deutschen Mannschaft ein ziemlich angenehmes, geräuschloses Kommunizieren gewöhnt. Dann traten Özil und Gündogan auf, wozu man keine Antwort fand. Man erklärte das Thema für beendet, eine sehr arrogante und ohne die Zuschauer zu berechnende Haltung. Und es wäre so die Chance gewesen, auf die Stärke des Multinationalen im Team hinzuweisen. Stattdessen lies der DFB die Spieler allein. In Talkshows setzte sich die Meinung durch, dass beide einen Fehler gemacht hätten und sich quasi bei deutschen Fußballvolk entschuldigen müssten, eine fatale Einschätzung. Der DFB blieb still und ließ die fatale Meinungshoheit stehen.

5. Die Dynamik der Problemlösung
Problemlösung ist eng mit Kommunikation verknüpft. Aber sie beginnt vorher. Die Vorbereitung der Mannschaft mit intensivem Training wurde praktiziert. Zwei Aufbaugegner zeigten eine langsame, körperlich schwerfällig Mannschaft und führten zu blamablen Vorstellungen. Konnte man sich an das Beispiel der Dänen erinnern, die aus dem Urlaub geholt wurden, körperlich und mental ausgeruht locker den EM-Titel errangen. Eigentlich wurden die Probleme dieser Mannschaft gesehen, die weder in der Defensive stabil noch vorne sehr torgefährlich war. Aber man vertraute auf irgendeine Magie anstatt auf Fakten oder die Schwachpunkte öffentlich zu benennen. Die zur Schau getragene Entspanntheit korrespondierte in keiner Weise mit der tatsächlichen Problemsituation der Mannschaft.

6. Die Dynamik des Erfolges
Erfolg - ziemlich naive, die aktuelle Realität gar nicht betrachtende Muster wurden genannt. Deutschland sei eine Turniernannschaft. Im Fußball wird gerne magisches Denken bemüht. Logik bleibt außen vor. Oft sei der Champion zwar beim nächsten mal ausgeschieden, aber diesmal werde verteidigt. Das Interessante war, dass Mats Hummels selbst sagte, dass sie das letzte gute Spiel im März 2017, also vor über einem Jahr gemacht hatten. Auch waren viele Spieler als Verlierer angereist. Die Saison Bayern Münchens war spätestens nach der Pokalniederlage eine gescheiterte.
Im Pokalspiel Bayern-Frankfurt hatte man schon gesehen, wie leicht ein international erfahrener Stürmer wie der Kroate Ante Rebic von Eintracht Frankfurt mit der deutschen Nationalmannschaftsverteidigung fertig wird. Er war schneller und ballsicherer als die Nationalmannschaftsverteidiger.
Hinzu kommt das „Beinahe“-Muster. Es beschreibt Situationen, wenn fast der ganze Weg bis hin zum Erfolg gelingt, aber der Abschluss selber nicht. Und hier waren deutliche Indizien vorhanden. Pfostenschüsse, frei zum Kopfball kommen und dem Torhüter in die Arme köpfen zeigen, dass die letzte Konzentration, die innere Motivation, das Selbstvertrauen, den erfolgreichen Abschluss zu schaffen, nicht vorhanden sind.

7. Die Dynamik des Gleichgewichtes
Man stellte sich dauernd vor, Deutschland sei (schon) Weltmeister. Ein altes Gleichgewicht wurde ständig bemüht und vor die aktuelle Realität gestellt. Das eigentliche Gleichgewicht, dass jede Mannschaft erst einmal mit Null Punkten anfängt, wurde nicht gesehen.

8. Die Dynamik der Rekursivität
Hier geht es um die Wiedererkennbarkeit von Prinzipien in einem System. Rund um die Nationalmannschaft ist das Beibehalten von Gewohntem sicher ein festes Prinzip. Zusätzlich schien ein Halbleistungsprinzip angewandt zu werden, ein bisschen Exempel statuieren, aber nicht wirklich: Götze nicht nominieren aus Leistungsgründen, aber andere, die nicht besser waren, mitnehmen. Immer schien die persönliche Intuition Einzelner, des Bundestrainers, wichtiger als das, was tatsächlich gezeigt wurde.

9. Die Dynamik der äußeren Pulsation
Dabei geht es um die Offenheit nach außen. Das System Nationalmannschaft wirkt sehr geschlossen. Man suggerierte ein geschlossenes Erfolgsmodell zu besitzen. Eine bescheidenere Offenheit und mehr konstruktive Unsicherheit helfen hier.

10. Die Dynamik der inneren Pulsation
Hier fällt die doch vorhandene Gruppenbildung auf. Schon wurde zu Beginn ganz entscheidend auf Verteidigung gesetzt. Dann wurde künstlich eine Verlierergruppe inszeniert, die vier, die nach den Vorbereitungsspielen Hause geschickt wurden. Man hätte auch direkt nur 23 mitnehmen und bei etwaigen Verletzungen nachnominieren können. Die Mannschaft war stark aus früher erfolgreichen, aber in der letzten Zeit gescheiterten Spielern (Bayern, Arsenal, Real in der spanischen Meisterschaft,…) zusammengesetzt sowie aus jungen Spielern, denen sofort ihre Zweitklassenrolle (Sane, Terstegen, Brandt, Plattenhardt…..) klar gemacht worden war.

​Fazit:
Alles in allem stellt sich das Bild so dar, dass es eine ganze Reihe von problematischen Dynamiken gab, was schon mit der Aufmerksamkeit begann, die eine fragwürdige Orientierung bot. Aber auch Rollen und deren Beziehungen sowie Problemlösung und Erfolgsprozesse können verbessert werden.

Deutschlands Fußball ist ja dann nicht nur knapp ausgeschieden, durch Pech, sondern es war eine ganz deutliche Unterlegenheit gegenüber den anderen Mannschaften feststellbar.

Traumatisierung und ihre Folgen auf Teams

16/5/2018

 

Auch Teams, Arbeitsgruppen, ganze Organisationen können von Traumatisierung betroffen sein. Dabei kommt neben dem traumatisierenden Ereignis vor allem die daraus unmittelbar erfahrbaren Folgen und die Zeit direkt danach in Betracht.
Ein Beispiel ist der Bombenanschlag, der auf die Mannschaft von Borussia Dortmund ausgeübt wurde. Ich hörte damals, dass das anstehende Spiel gegen den AS Monaco nur um einen Tag verschoben werden sollte. Die Entscheidung der Leitung des BVB war, diesen Schritt so zu machen. Meine sofortige Prognose aus der Kenntnis von Traumaverläufen, die ich auch Berufskollegen gegenüber äußerte, war: Sie werden ausscheiden, es vielleicht kurzfristig einigermaßen kompensieren, aber viel schlimmer dadurch wird mittelfristig diese Mannschaft auseinander fallen. Als langjähriger Sympathisant von Borussia Dortmund tat mir das ungeheuer leid und ich wollte eigentlich nicht recht behalten.
Es wurde gesagt, dass sie den Spieler natürlich ein Gespräch mit dem Psychologen angeboten hätten. Aber biete mal einem Anfang zwanzigjährigen Leistungssportler an, “Wenn Du einen Psychologen brauchst, vermitteln wir Dir einen“. Die Variante wurde so natürlich nicht angenommen. 
Dann nahm das Unheil seinen Lauf. Die beiden besten Spieler, Dembele und Aubameyang, und der Trainer Tuchel wurden verloren. Es wurden ganz viel Einzelgründe für die jeweiligen Entwicklungen angeführt. Anschließend ging der junge, aber ungeheuer talentierte spanische Spieler, der als Einziger wesentliche körperliche Verletzungen durch den Anschlag erfuhr, Marc Bartra, in seine Heimat zurück. 
Ein Jahr später ist die ganze Mannschaft am Boden, man geht in München nach einem 0:5 Halbzeitrückstand bei in der zweiten Halbzeit Mitleid zeigenden und sich fürs nächste Spiel schonenden Bayern nur 6:0 unter. Spieler, die früher ungeheurer passsicher waren, spielen einfachste Fehlpässe. Von Einsatzkraft und Kreativität ist nichts mehr vorhanden. Ehemalige Extraklassespieler in den Reihen vom BVB sind zu durchschnittlichen Mitläufern geworden. 
So läuft es, wenn der Kommerz und vielleicht auch eine Fehleinschätzung menschlicher Belastbarkeit regieren. Richtig wäre es gewesen, das Ereignis auch psychologisch ernst zu nehmen und gemeinsam in der Gruppe eigene Reaktionen aufzuarbeiten. Statt dessen wurde implizit und explizit das Bild des starken Mannes im Fußball gepflegt, den nichts anficht und der das alles nicht braucht, ein Menschenbild, das vor der "Resilienzzeit" galt.

Literatur dazu: Mohr, G.: Resilienzcoaching für Menschen und Systeme, Grevelsberg: Edition Humanistische 
Psychologie, 2017. 

Frederik Laloux: Reinventing organizations oder alter Wein  in neuen Schläuchen?

16/3/2018

 
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Frederik Laloux ist gerade der Star der internationalen Managementszene. Der ehemalige McKinsey-Berater hat es mit seiner Art und seinem Ansatz geschafft, zu einer der momentan meist zitierten Personen in der Organisationsentwicklung zu werden. Es stellt sich allerdings die Frage: Handelt es sich bei seinem Ansatz um alten Wein in neuen Schläuchen oder um einen wirklichen Paradigmenwechsel?

Laloux geht von der Grundthese einer Unzufriedenheit der Menschen mit den bestehenden Organisationsformen aus. Die Gallup-Studie ergebe mit großer Konstanz seit einigen Jahren, dass nur zwischen 13 % und 17 % der Mitarbeiter hoch engagiert seien. In vielen beruflichen Betätigungsfeldern verließen engagierte und vor allem die an ganzheitlichem Sich-Einbringen in den Beruf interessierten Leute die Organisationen. Laloux beklagt dies nicht, sondern sieht darin ein gutes Zeichen. Etwas Neues kündige sich an. Gesellschaftliche und organisationale Entwicklung zeige sich in Sprüngen.

Der Hauptpunkt, dass das Alte nicht mehr funktioniere, liege in der Unfähigkeit der Hierarchie Komplexität zu bewältigen. Alle komplexen Systeme in der Natur würden nicht mit Hierarchie gesteuert, sondern per Selbststeuerung. „Kein komplexes System funktioniert mit Hierarchie“. Als Beispiel wird das menschliche Gehirn angeführt. Im Gehirn mit seinen 85 Mrd. Nervenzellen sage keiner: Ich bin jetzt mal Geschäftsführer. Wenn Ihr eine Idee habt, schickt sie mal vorbei! Andere Beispiele für komplexe, selbststeuernde Systeme seien Zellen, Pflanzen, Bäume, der ganze Wald. Alle würden sich durch Selbstorganisation steuern. Für niedrige Komplexität könnten  hierarchische Lösungen funktionieren, aber nicht für hohe Komplexität. Bei der These, dass Hierarchie nicht in der Lage ist, hohe Komplexität zu bewältigen, fallen einem sofort aus der jüngeren Unternehmensgeschichte die Beispiele VW und Deutsche Bank ein, bei der die obersten Hierarchen offensichtlich klar vorgaben „Ihr habt gefälligst genau die von uns vorgegebenen Ziele zu erreichen“. Und sie haben noch den mehr oder weniger ausgesprochenen Zusatz hinzugefügt. „Aber wir wollen nicht wissen wie ihr das tut!“ Zusammen mit lockenden Bonifizierungen war damit illegalen Praktiken der Weg bereitet. Die beiden Unternehmen kämpfen mittlerweile mit Milliardenstrafzahlungen und letztlich um ihre Existenz. Nun kommt Laloux mit seiner Enthüllung. Er wolle gar nicht auf die Probleme schauen. Denn er habe in seiner Recherche eine ganze Menge Organisationen gefunden, die nach ganz anderen, nach neuen Prinzipien funktionierten.

Schlussfolgerung: Was ist neu an den neuen Ansätzen?
Die Antwort ist: „im Prinzip nichts“. Alles wurde schon mal angedacht. Aber der Kontext und die Zeit sind anders. Der Personal- und Arbeitsmarkt (VUCA-World) ist durch die relative Knappheit des Fachkräfteangebotes und das Auftreten einer neu orientierten Generation (Generation Y) anders geworden. Interessant ist aber auch ein anderer Zusammenhang. Der weitgehenden Beteiligung und Selbstorganisation steht heute eine andere Bewegung zur Bewältigung der Komplexität gegenüber. Der Kitsch ist dabei, die Macht zu übernehmen, wie es der Innsbrucker Professor Pelinka beschreibt (Pelinka, 2010). Was Kitsch in der Kunst ist, das Vereinfachte, Simplifizierte, einen oberflächlichen Alltagsgeschmack Befriedigende, stellt der Populismus in Gesellschaft und Politik dar. Die Komplexität der Welt, sowohl die emotionale aber auch schon die kognitive, wollen viele Menschen einfach nicht mehr realisieren. „Postfaktisch“ wird die Sichtweise, man hat „alternative Fakten“. Gerade auf diesem Hintergrund ist das Ausprobieren und Weiterdenken demokratischer Verfahren gerade in der Wirtschaft höchstwichtig und dazu gehören die neuen Organisationsmodelle. Die Chance wäre da, aber die Köpfe (Bezugsrahmen, kulturelles Skript) müssen frei werden und dieses Gegenmodell zum Populismus muss mit aktiver Verantwortung getragen werden.

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