Warum bekommen eigentlich Bankvorstände und die zweite Ebene in Banken so hohe Vergütungen? Wir müssen uns zuerst fragen, was da nachgefragt bzw. angeboten wird. Zunächst gibt es ein wenig Formales. Man wird in den meisten Ländern nur Bankvorstand, wenn man ganz bestimmte Stufen des Bankerlebens wie die Kreditseite oder die Anlageseite auch schon einmal wahrgenommen hat. Dann kommt aber das Entscheidende.
Das eigentliche „asset“ des Bankvorstandes ist die Bereitschaft, sich für eine Funktion herzugeben, in der man Entscheidungen ohne wirkliche Informationsgrundlage fällt, weil man systemische Risiken lange nicht sehen wollte und nun n icht mehr zu sehen braucht, weil die Staaten dies übernommen haben. Der einzelne Bankvorstand begibt sich in eine virtuelle Welt von Risikozahlen, die komplexe finanzmathematische Programme und so genannte Expertisen (Ratings) anderer zustande gebracht haben. Innerhalb dieses Systems wird Sicherheit suggeriert und auf deren Grundlage werden Entscheidungen gefällt. Die Topmanager der Banken bekommen dafür eine Chancenprämie, ähnlich wie ein Fußballtrainer eine Risikoprämie erhält, wenn er auch aufgrund von irgendwelchen Ereignissen, die oft nichts mit seiner Arbeit zu tun haben, seinen Job verliert. Allerdings ist das Risiko für Bankvorstände und für die Führungskräfte der zweiten Ebene bisher gering. Dies unterscheidet ihre gravierenden Gestaltungsinterventionen in die Wirtschaft hinein von unternehmerisch tätigen Menschen. Darin erklärt sich im übrigen auch die Attraktivität der Bankertätigkeit gegenüber anderen, etwa technischen Berufsfeldern. Aus der dienenden Rolle der Finanzindustrie für die Realwirtschaft wurde ein umgekehrtes Verhältnis.
Viele Bankvorstände überblicken in der Regel offensichtlich nicht mehr, was sie verursachen. Ihr Tun beruht auf Hoffen und Glauben, eigentlich guter katholischer Werte. Aber passen die hier oder sind sie ausreichend?
Die Renditen, die in den letzten Jahren von den trendgebenden Instituten vorgegeben wurden, sind mit dem Grundgeschäft des Einnehmens und Verleihens von Geld nicht zu erreichen. Da muss man sich schon Dinge einfallen lassen, die jenseits bisheriger Möglichkeiten liegen. Eine Idee ist, ständig auf Zusammenschlüsse und Übernahmen von Firmen hinzuwirken und daran zu verdienen. Dabei sind entsprechende Provisionen drin, die in der Regel aus den verlorenen Arbeitsplätzen der Fusions- und Übernahmepartner bezahlt werden. Das dabei vielfach gute Unternehmensstrukturen zerstört werden, interessiert nicht. Vielleicht wäre hier über Artenschutz nachzudenken. Die Chancenprämie unterstützt das Eingehen der Geschäfte.
Eine andere, fast als Trick zu bezeichnende Geschäftsidee, ist mittels Krediten zeitweisen Wohlstand zu erfinden. Wie Herbert Hoover Anfang des 20. Jahrhunderts für Amerika visionierte “Ein Huhn in jeden Topf, ein Auto in jede Garage“, schafft man für die unten in der Gesellschaft auschließlich Wohlstand, solange bestimmte Eliten ihren Über-Wohlstand nicht umverteilen wollen, wenn man dies über Kredite finanziert, wie in Amerika im großen Stile geschehen. Allerdings findet sich nur ein Gläubiger, wenn der Kredit solide aussehend gemacht wird. Dies erreicht man durch die Vermischung von Krediten, deren Verbriefung und gute Benotung (Ratings). Insbesondere deutsche Staats- und Landesbanker griffen dann gerne zu. Wer wollte da schon Spielverderber und eine Risiko-Memme sein, wenn man am großen Spiel teilnehmen darf. Für diese Bereitschaften gibt es die Chancenprämie.
Die staatliche, letztlich auch sehr wesentlich kreditfinanzierte Sozialpolitik funktioniert im Übrigen nach einem ähnlichen Chancen-Risiko-Muster - Chancen jetzt, Risiken blenden wir aus. Hoffentlich geht das gut. Zwar verdienen Politiker finanziell entsprechend viel zu wenig. Aber vielleicht ist ihre Chancenprämie das Rampenlicht.
Es geht bei den Bankervergütungen also nicht um Arbeit oder Fachkenntnisse, sondern um die Bereitschaft, in ein Spiel mit hoher Chance einzutreten. Lange konnte man den Spielcharakter sogar verdrängen, weil alle zusammen in manischer Weise etwas hochgejubelt hatten und fast das Gefühl bekamen, es ist Realität, was sie mit den virtuellen Zahlen machen.
Im Moment ist alles anders. Die Bankindustrie ist mit der anderen Seite der Chance, ihrem Risiko im Prinzip verstaatlicht. Deshalb fühlen sich alle Bankvorstände im Moment auch behaglich. Man kann in einer europäischen Bank zurzeit keinen Fehler machen, weil es im Prinzip kein Risiko gibt. Wenn man die billige Liquidität der EZB abfragt und diese einigermaßen anlegt, hat man einen quasi garantierten Gewinn. Über 1000 europäische Banken haben dies wahrgenommen. Eine ganze Branche ist am Staatstropf. Und den Entscheidern in den Banken wird das unangenehme Gefühl erspart, Fehler machen zu können. Als Helmut Schmidt gefragt wurde, wo denn das Geld herkomme, sagte er mit tiefer und langsamer Stimme "Es wird gedruckt."
Dies ist auch der Grund dafür, warum die Krise nicht als Lernchance genutzt wird. Gefühlsmäßig besteht keine Notwendigkeit dazu.
Die Vergütungen könnten nun sinken. Im Moment ist man nur noch in der alten Gewohnheit gefangen. Denn wer verliert schon gerne einen einmal erreichten Status (Besitztumseffekt in der Psychologie). Dazu gehört auch die Idee, dass in den hierarchischen Bankorganisationen erst die kleinen Mitarbeiter bluten sollen. Einen Vorstand braucht man immer, aber ob man noch so viele Kundenberater braucht, wenn das Investmentbanking, die künstlichen Kreditkonstruktionen und das Wertpapiergeschäft zurückgehen. Was passieren wird, ist dass man zunächst "unten" spart bei den einfachen Arbeitsplätzen. Denn Kosten sparen kann man doch auch als Managementaufgabe durchgehen lassen. Und das rechtfertigt wieder entsprechende Entlohnung.
Weiterführendes:
1) Mohr, G. (2000): Lebendige Unternehmen führen, Frankfurt: FAZ-Buchverlag.
2) Mohr, G. (2006): Systemische Organisationsanalyse, Grundlagen und Dynamiken der Organisationsentwicklung, Bergisch-Gladbach: Edition Humanistische Psychologie.
3) Mohr, G. (2009): Wirtschaftskrise und neue Orientuierung, Von Angst und Gier zu Substanz und Anerkennung, Berlin: ProBuisness 2009.