Christopher Jamison, ein englischer Benediktinermönch, hat ein gleichermaßen interessantes wie entspannendes Buch geschrieben. Es legt Menschen nahe, sich mit der Lebenshaltung und der Lebensweise in Klöstern zu befassen, weil die zu Entschleunigung des Lebens beitragen kann. Verschiedene Stränge durchziehen das Buch, einerseits eine präzise Antworthaltung zu den Aufgeregtheiten des heutigen Lebens, andererseits wesentliche Aspekte klösterlichen Lebens wie Schweigen, Kontemplation, Gehorsam, Demut, Gemeinschaft, Spiritualität und Hoffnung. Als Beispiel für die Reaktion der Normalmenschen, die nicht Mönche sind, auf diese Themen führt er eine Gruppe von Männern heran, die eine Zeitlang im Kloster Jamisons lebte und deren Erfahrungen auch in der BBC-Fernsehserie „The Monastrey“ verfilmt wurden.
Seine grundlegende Theorie für die heutige Lebenshektik sieht der Autor in der Veränderung der Gesellschaft dahin, dass die neoliberale Wende die Menschen in allem zu Kunden von irgendetwas deklariert habe. Menschen sind nicht im Vordergrund, sondern Konsumenten. Gut ausgebildete
Leute hätten früher in höheren Positionen ein beschauliches Leben führen können. Arbeiter hätten sich auf einen lebenslangen Job in einer stabilen Industrie verlassen können. Heute sei alles in einen unendlichen Warenstrom, der mit unendlicher Arbeit erreicht werden soll, eingeordnet. Das Glück ist die Ansammlung vieler maximaler Konsumereignisse. Diese Lebenskultur gelte es in Frage zu stellen.
Der kritischen Gesellschaftsbeschreibung folgen als Gegenpol die Regeln des klösterlichen Lebens, die der Ordensgründer Benedikt vor 1500 Jahren aufgestellt hat. „Man soll der Schweigsamkeit zuliebe bisweilen sogar auf gute Gespräche verzichten“ ist schon eine für den heutigen Mainstream provozierende Kostprobe für eine solche Regel. Aber nur so könne man den „Lärm im Kopf“ besiegen. Kontemplation, also die läuternde Betrachtung der eigenen Innenwelt, sieht er als katholischer Christ natürlich im Gebet zu Gott. „Wir sollen wissen, dass wir nicht erhört werden, wenn wir viele Worte machen, sondern wenn wir in Lauterkeit des Herzens und mit den Tränen der Reue beten. Deshalb sei das Gebet kurz und lauter“. In der Kontemplation geht es also um das
Fühlen und eine bescheidene Haltung dem Großen des Lebens gegenüber. Der Regelgeber Benedikt hat nach seiner Schilderung keine genauen Vorgaben für Meditation gegeben. Als klösterliche Tradition zur Förderung der Meditation sieht er die Verwendung eines wiederholten Satzes und das langsame Lesen heiliger Texte an. Dass Benedikt das Lesen als wichtigste Art der Meditation und kreativer Stille einschätzt, ist bemerkenswert. Die Lectio divina (göttliches Lesen) ist ein Lesen wichtiger Texte, das sich Zeit lässt und diese in mehreren Schritten verarbeitet.
Zum Gehorsam propagiert Benedikt „Im gegenseitigen Gehorsam sollen sie miteinander wetteifern; keiner achte auf das eigene Wohl, sondern mehr auf das des anderen.“ Gehorsam ist heute ein sperriger Begriff, aber wenn man sich betrachtet wie viel wir unbewusst durch äußere Reize konditioniert und stimuliert sind, bleibt die Selbstdisziplin in Orientierung ein wichtiger Pfeiler der Selbststeuerung. Ähnliches gilt in der Zeit der narzisstischen Herausstellungsforen für den nächsten Begriff, die Demut: „Durch Selbsterhöhung steigen wir hinab und durch Demut hinauf.“
Gemeinschaft als Thema ist für den westlichen, individualisierten Menschen, insbesondere den angelsächsisch geprägten - wie dem Briten Jamison - , heute jenseits des Mainstreams. „Vor allem bei der Aufnahme von Armen und Fremden zeige man Eifer und Sorge, denn besonders in ihnen wird Christus aufgenommen. Das Auftreten der Reichen verschafft sich ja von selbst Beachtung.“ Hier fehlt dem katholischen Christen etwas das „Fassen an die eigene Nase der katholischen Kirche“ , die sich in vielem Prunk noch gebärdet wie ein feudales Fürstensystem. Diese alte Kontroverse zwischen den klösterlichen und den Machtpotentaten der Kirche ist seit Jahrhunderten ein heißes Eisen. Er greift er nicht auf.
Zur Spiritualität zitiert Jamison die Benediktsche Regel “Prüft die Geister, ob sie aus Gott sind“. Jamison diskutiert den Vorteil des Christentums als geleichmaßen nach innen auf Kontemplation wie nach außen auf den Mitmenschen gerichtete Religion. In anderen Religionen sieht der durchaus zur Linken tendierende Autor Marx´ Kritik der Religion als Opium fürs Volk eher verwirklicht als im Christentum. Am Ende der thematischen Kapitel steht die Hoffnung, die gerade beim Abschied und am Ende des Lebens gebraucht wird. Den eigentlichen Schluss des Buches bildet ein Beispiel der Lectio divina in Form des Gleichnisses vom verlorenen Sohn.
Insgesamt ein gut zu lesendes Buch, das tief geprüfte, durchaus alte Weisheiten in interessanter Weise auf unsere Zeit bezieht. Es macht nicht den einzelnen mit erhobenem Zeigefinger verantwortlich, sondern zeigt die Systemzwänge auf. Schön ist, dass er einen unverkrampften Blick über den Tellerrand hinaus hat. So berichtet er auch Beispiele aus einem benachbarten buddhistischen Kloster in Südengland. Dies hätte man dort vielleicht gar nicht vermutet, Jamison zeigt aber deutlich seinen Respekt auch vor der anderen Religion. In Sachen der Integration meditativen und kontemplativen Lebens ist der Unterschied ohnehin gering. Gott hat kein Parteibuch
einer Religion.
Jamison, Christopher: Durchatmen, Münsterschwarzach: Vier-Türme-Verlag 2011
Seine grundlegende Theorie für die heutige Lebenshektik sieht der Autor in der Veränderung der Gesellschaft dahin, dass die neoliberale Wende die Menschen in allem zu Kunden von irgendetwas deklariert habe. Menschen sind nicht im Vordergrund, sondern Konsumenten. Gut ausgebildete
Leute hätten früher in höheren Positionen ein beschauliches Leben führen können. Arbeiter hätten sich auf einen lebenslangen Job in einer stabilen Industrie verlassen können. Heute sei alles in einen unendlichen Warenstrom, der mit unendlicher Arbeit erreicht werden soll, eingeordnet. Das Glück ist die Ansammlung vieler maximaler Konsumereignisse. Diese Lebenskultur gelte es in Frage zu stellen.
Der kritischen Gesellschaftsbeschreibung folgen als Gegenpol die Regeln des klösterlichen Lebens, die der Ordensgründer Benedikt vor 1500 Jahren aufgestellt hat. „Man soll der Schweigsamkeit zuliebe bisweilen sogar auf gute Gespräche verzichten“ ist schon eine für den heutigen Mainstream provozierende Kostprobe für eine solche Regel. Aber nur so könne man den „Lärm im Kopf“ besiegen. Kontemplation, also die läuternde Betrachtung der eigenen Innenwelt, sieht er als katholischer Christ natürlich im Gebet zu Gott. „Wir sollen wissen, dass wir nicht erhört werden, wenn wir viele Worte machen, sondern wenn wir in Lauterkeit des Herzens und mit den Tränen der Reue beten. Deshalb sei das Gebet kurz und lauter“. In der Kontemplation geht es also um das
Fühlen und eine bescheidene Haltung dem Großen des Lebens gegenüber. Der Regelgeber Benedikt hat nach seiner Schilderung keine genauen Vorgaben für Meditation gegeben. Als klösterliche Tradition zur Förderung der Meditation sieht er die Verwendung eines wiederholten Satzes und das langsame Lesen heiliger Texte an. Dass Benedikt das Lesen als wichtigste Art der Meditation und kreativer Stille einschätzt, ist bemerkenswert. Die Lectio divina (göttliches Lesen) ist ein Lesen wichtiger Texte, das sich Zeit lässt und diese in mehreren Schritten verarbeitet.
Zum Gehorsam propagiert Benedikt „Im gegenseitigen Gehorsam sollen sie miteinander wetteifern; keiner achte auf das eigene Wohl, sondern mehr auf das des anderen.“ Gehorsam ist heute ein sperriger Begriff, aber wenn man sich betrachtet wie viel wir unbewusst durch äußere Reize konditioniert und stimuliert sind, bleibt die Selbstdisziplin in Orientierung ein wichtiger Pfeiler der Selbststeuerung. Ähnliches gilt in der Zeit der narzisstischen Herausstellungsforen für den nächsten Begriff, die Demut: „Durch Selbsterhöhung steigen wir hinab und durch Demut hinauf.“
Gemeinschaft als Thema ist für den westlichen, individualisierten Menschen, insbesondere den angelsächsisch geprägten - wie dem Briten Jamison - , heute jenseits des Mainstreams. „Vor allem bei der Aufnahme von Armen und Fremden zeige man Eifer und Sorge, denn besonders in ihnen wird Christus aufgenommen. Das Auftreten der Reichen verschafft sich ja von selbst Beachtung.“ Hier fehlt dem katholischen Christen etwas das „Fassen an die eigene Nase der katholischen Kirche“ , die sich in vielem Prunk noch gebärdet wie ein feudales Fürstensystem. Diese alte Kontroverse zwischen den klösterlichen und den Machtpotentaten der Kirche ist seit Jahrhunderten ein heißes Eisen. Er greift er nicht auf.
Zur Spiritualität zitiert Jamison die Benediktsche Regel “Prüft die Geister, ob sie aus Gott sind“. Jamison diskutiert den Vorteil des Christentums als geleichmaßen nach innen auf Kontemplation wie nach außen auf den Mitmenschen gerichtete Religion. In anderen Religionen sieht der durchaus zur Linken tendierende Autor Marx´ Kritik der Religion als Opium fürs Volk eher verwirklicht als im Christentum. Am Ende der thematischen Kapitel steht die Hoffnung, die gerade beim Abschied und am Ende des Lebens gebraucht wird. Den eigentlichen Schluss des Buches bildet ein Beispiel der Lectio divina in Form des Gleichnisses vom verlorenen Sohn.
Insgesamt ein gut zu lesendes Buch, das tief geprüfte, durchaus alte Weisheiten in interessanter Weise auf unsere Zeit bezieht. Es macht nicht den einzelnen mit erhobenem Zeigefinger verantwortlich, sondern zeigt die Systemzwänge auf. Schön ist, dass er einen unverkrampften Blick über den Tellerrand hinaus hat. So berichtet er auch Beispiele aus einem benachbarten buddhistischen Kloster in Südengland. Dies hätte man dort vielleicht gar nicht vermutet, Jamison zeigt aber deutlich seinen Respekt auch vor der anderen Religion. In Sachen der Integration meditativen und kontemplativen Lebens ist der Unterschied ohnehin gering. Gott hat kein Parteibuch
einer Religion.
Jamison, Christopher: Durchatmen, Münsterschwarzach: Vier-Türme-Verlag 2011