Ein Unternehmen fällt eine so genannte Sourcingentscheidung. Früher hätte man es Outsourcing genannt. Aber Sourcing hört sich neutraler an. Ein sehr weitgehendes Beispiel dieser Art zeigt 2012 die Firma IBM, die sich von vielen Mitarbeitern trennen und stattdessen je nach Bedarf auf ein weltweites Netzwerk von freien Mitarbeitern zurückgreifen will. Ein anderes ist die amerikanische Autofirma General Motors. Sie hat nach ihrer Krise 2009/2010 die Löhne für viele ihrer Arbeiter nahezu halbiert, nachdem sie sie nach zeitweiliger Betriebsschließung in neuer Organisationsform wieder eingestellt hatte. 2012 kann General Motors wieder sehr viele Neueinstellungen und einen hohen Gewinn ausweisen. Hier liegt jeweils der Versuch vor, die zu erwartenden Personalkosten zu senken, weil die Arbeitnehmer in ein niedrigeres Tarif- oder Bezahlungssystem genommen werden können. Zusätzlich versucht ein Management mit Outsourcing, die Komplexität seines Betätigungsbereiches ein Stück zu reduzieren, in dem man die Managemententscheidungen nach außen gibt und ab jetzt mit einem externen Lieferanten verhandelt. Mittels so genannter Service-level-agreements erstrebt man dann, die Qualität zu sichern und die dann Lieferanten Genannten in die Pflicht zu nehmen. Dieser Aspekt soll oft auch durch die angenommene Spezialisierung des Lieferanten, die ebenso Know-How- und Kostenvorteile für die Aufgabe bringen soll, unterstützt werden. Dies ist oft von einer so genannten Mandantenfähigkeit des neuen Lieferanten begleitet. Dies bedeutet, dass er auch für andere Firmen seine Dienstleistung liefern kann und dadurch Spezialisierungs- und Größenvorteile nutzen kann. Ob die erwarteten Kostenvorteile tatsächlich entstehen, ist erfahrungsgemäß fraglich. Also welche Gründe stehen wirklich dahinter?
Zunächst wäre die betriebswirtschaftliche Ebene zu beachten: Die Kostenersparnisse sind oft tatsächlich irgendwann zeitweise nachzuweisen. Dazu werden die für die Leistung zu bezahlenden Kosten in der Regel so gefasst, dass sie einen Erfolg ausweisen. Dabei sind steuerliche Aspekte trotz der dann anfallenden Mehrwertsteuer outsourcingfördernd. Allerdings werden zunächst hohe Kosten, die so genannten Übergangskosten (transition costs) verursacht. Die betriebswirtschaftliche Ebene der Kosten überzeugt nur auf den ersten Blick. Dass auch die im Unternehmen verbleibenden Steuerungskosten der Lieferanten, Qualitätseinbußen und ständige Reibungsverluste oft nicht gering sind, hat schon manche Firma dazu bewogen, nach einiger Zeit zwar nicht offiziell den Schritt rückgängig zu machen, aber unter neuer Überschrift wieder ein Insourcing zu gestalten.
Die Ebene der Erwartungen an ein Management: Nicht selten werden Sourcingentscheidungen von neuen Führungskräften gefällt, die damit ihre Managementqualifikation nachweisen können. Ein Management muss mit Vorzeigbarem handeln. Wie bei einer Reihe verlorener Spiele das Management eines Fußballvereins den Fußballtrainer wechselt, was nachgewiesenermaßen etwa in 50 % der Hälfte nützt, wird auch im Unternehmen vorzeigbar gehandelt, oft sogar ohne Not. Ich hörte einen Vorstand zu seinen Mitarbeitern sagen: „Sie werden doch verstehen, dass wir als Management von Zeit zu Zeit unsere Bereiche überprüfen müssen. Und jetzt sind Sie mal dran. Dazu haben wir eine objektive, von außen kommende Unternehmensberatung verpflichtet, die darauf schaut, wie ein zukunftsgerichteter Bereich aufgestellt sein kann.“ Gerade in Zeiten der Professionalisierung des Managerberufes werden von den Managern vermeintlich bestimmte Insignien ihres Tuns erwartet. Allerdings sind in diesem Vorgehen und auch in der beispielhaften – vielleicht zunächst plausiblen - Aussage einige fundamentale Abwertungen enthalten. Es bedeutet nämlich, dass die Bereiche bisher nicht genügende interne Ressourcen und Verbesserungen erarbeiten konnten, was man durchaus als Managementfehler sehen kann. In der Praxis dieses Falles waren die Leute aber bis zum Zeitpunkt der Verkündigung des Restrukturierungsprojektes sehr engagiert und immer führend in ihrer Expertise gewesen. Prompt führte das Projekt auch dazu, dass insbesondere vom betroffenen Mittelmanagement keine konstruktive, sondern nur eine angepasste Unterstützung des Projektes erfolgte. Auch den Menschen in den Managementpositionen war ein vernichtendes Urteil ihrer Tätigkeit ausgestellt worden. „Wir können ja auch nichts machen“, war entsprechend die Reaktion den Mitarbeitern gegenüber, „Das liegt alles schon fest.“ Damit hatte das Management seinen eigentlichen Sinn verloren. Die Mitarbeiter fühlten sich noch mehr im Stich gelassen, nachdem ihre Arbeit durch den Vorstand schon verunglimpft worden war. Im Grund gab es kaum Betroffene, die das Neue enthusiastisch aufzubauen bereit waren. Es sollte eine pflegeleichte Umstrukturierung werden, entpuppte sich allerdings als ein Schrecken ohne Ende. Eineinhalb Jahre nach dem Projektbeginn wurde ein neues Projekt zur Optimierung des Bereiches gestartet. Eine Restrukturierungsentscheidung aus „Jux und Tollerei“ von Seiten eines empathielosen Managements ist also nicht zu empfehlen.
Die persönliche Ebene: Die persönliche Ebene ist eng verwandt mit der vorhergehenden, der Rollenebene des Managers. Welche persönlichen Attribute führen zu Entscheidungen, die ganze Bereiche und Unternehmen umkrempeln? Gerade neue Manager wollen sich als „neuer Besen, der gut kehrt“ beweisen. Oft werde sie von den Alteingesessenen auch gerade wegen einer solchen Aufgabe verpflichtet. Wenn Sie es nicht schaffen, kann man sich wieder von ihnen trennen. Insofern spielen bestimmte persönliche Muster der Manager, etwa sich zu beweisen oder zu „zeigen, was man für ein Kerl ist“, hier mit hinein. Persönliche Gründe für eine Restrukturierung sind in der heutigen Zeit nicht zu rechtfertigen.
Die technische Ebene: Die einzig nachvollziehbaren Gründe für eine Restrukturierung sind technische Gründe. Ein neues technische Produktionsverfahren oder eine neue IT-Landschadt sind entwickelt worden, die zu maßgeblichen Veränderungen Anlass geben. Dies hat – wie etwa die Auslagerung vieler bisher interner Vorgänge etwa des Einkaufs auf den Kunden – natürlich auch gravierende Auswirkungen auf die Arbeitsplätze. Leistet der Kunde große Teile des Bestellvorganges und berät sich selbst anhand von bereitgestellten Tools gehen hier personale Dienstleistungen verloren.
Allerdings gibt es dennoch viel mehr Restrukturierungen als es technische Gründe gibt. Und nicht alle Manager und Personen, die Veränderungen anzetteln, sind alleine so mächtig. Was steckt also noch dahinter? Nun verlassen wir die Perspektiven, die sich auf den engeren Kreis des Unternehmens beziehen und gehen zum Background, auf dem das Unternehmen steht.
Die volkswirtschaftliche Ebene: Durch die Globalisierung ist eine Konkurrenz zwischen den einzelnen Volkswirtschaften der Welt und den Unternehmen entstanden, die keine Grenzen mehr kennt. Restrukturierungen mit der typischen Folge der Lohnsenkung könnte man als Teil der großen, gigantischen weltweiten Lohnanpassung betrachten, die die Löhne zwischen den so genannten Schwellenländern und den hochentwickelten Industrieländern mittelfristig anpasst. Denn es gibt keine ökonomischen Gründe, die für nahezu gleiche Produktionen eine Lohndifferenz rechtfertigen würde. Folgerichtig werden sich die Löhne angleichen. Dies bedeutet für Chinesen, Inder und Brasilianer, dass deren Löhne tendenziell steigen werden. Für Westeuropäer und Nordamerikaner werden sie sinken. Dies wird durch viele kleine Schritte in den Industrieländern bewirkt.
Die soziologische Ebene: Man muss im Ganzen natürlich zwischen Ursache und Wirkungen unterscheiden. Aber oft zeigt sich in der Wirkung eine verborgene Ursache. Die Spreizung der Gesellschaft nimmt durch die Aushöhlung des Mittelstandes zu. Dazu tragen Lohnsenkungen oder ein quasi Einfrieren der Lohnsteigerungen wie in Deutschland seit 1995 bei. In den USA ist der Mittelstand in den letzten sechs Jahren von 50 Prozent auf 42 Prozent zurückgegangen. Dies ist in Marktwirtschaften ein immer wieder vorzufindendes Phänomen, dem die Wirtschaftspolitik mittels Verteilungsinterventionen natürlich korrektiv entgegenwirken kann. Aber zunächst ist der Prozess erfahrungsgemäß eine Spreizung: die Reichen werden reicher, die Armen werden zahlreicher und relativ ärmer. Für bestimmte konservative Kreise bestätigt dies ihr Welt- und Menschenbild von mehr und minderbegabten Menschen. Allerdings kann man in dieser Wirkung kaum eine Ursache sehen, da die wirtschaftlichen Eliten in der Regel mehr davon haben, wenn sie keiner verelendeten Masse ohne Kaufkraft gegenüberstehen. Allerdings ist der Aspekt der Spreizung der Gesellschaft ein wirtschafts- und gesellschaftspolitisch hoch brisantes Thema.
Die Systembeziehung "Organisation - Mitarbeiter": Wie reagieren eigentlich Mitarbeiter auf die großen "Umkrempelungsaktionen" in Organisationen (Unternehmen, Institutionen, ...)? Sie sind zunächst privat-emotional betroffen, denn Sicherheit und Struktur werden in Frage gestellt. Häufig sind ihre Lebensplanungen mehr „auf Kante genäht“ als die der Betuchten, was bedeutet, dass sie ihre privaten ökonomischen Entscheidungen so getroffen haben, dass sie auf das bisherige Einkommen angewiesen sind. Das heißt, sie werden ihr privates ökonomisches Verhalten ändern müssen. Außerdem: Nach einer gravierenden Umstrukturierung ist ein Unternehmen als Gemeinschaft nicht mehr das, was es vorher war. Es verändert als wahrgenommene Beziehungspartner die Qualität, wird weniger verlässlich. Die, die bleiben, werden unter dem Survivor-Syndrom leiden. Diesmal haben wir „überlebt“, aber beim nächste Mal sind wir dran. Unternehmen sind immer mehr zu Lebensabschnittsgefährten geworden.
Es ist also einiges zu beachten. Und Gedankenlosigkeit über die verschiedenen Ebenen ist kein guter Ratgeber. Aber da ist noch mehr.
Die überpersonale Ebene: Es gibt keine Sicherheit im Leben. Letztlich sind die Einzelentscheidungen von Managements einer langfristig logischen Betrachtung entzogen. Wirtschaftliche Prozesse - und insbesondere Umstrukturierungen, wie sie heute üblich sind - haben etwas mit Zerstörung zu tun, Zerstörung von Materiellem, von Hoffnungen, von Chancen, von Täuschungen und Illusionen. Meist kommt einiges davon sogar zusammen. Zerstörung ist ein harter Terminus, weil sie das Gegenteil des fließenden Übergangs darstellt. Daher ist dies sehr umstritten. Spirituell würde man es eher Vergänglichkeit nennen. Dies ist vornehmer, ändert aber nichts. Manche bekannten Ökonomen wie der Konservative Schumpeter oder der Linke Marx haben auf die Notwendigkeit der Zerstörung, um sich für neuen Stufen bereitzumachen, hingewiesen. Aber ob radikale Zerstörungen, etwa die Zerstörung der deutschen Industrie im 2. Weltkrieg nicht gerade als Zwang zum Neuaufbau die Wurzel des deutschen Wirtschaftswunders war, kann man nur schwer entscheiden. Es liegt allerdings verglichen beispielsweise mit Großbritannien nahe. Man hätte in Deutschland doch auch in Depression verfallen können. Aber vielleicht war gerade die Verbindung von Konstanz, einer gut ausgebildeten und motivierten Arbeitnehmerschaft mit dem aus der Zerstörung notwendigen Neuen das Geheimnis, also doch Kontinuität und total Neues. Der Push und die Anreize der Amerikaner haben dies unterstützt. Ein zweites Beispiel: Ob die Zerstörung der Wirtschaft der ehemaligen DDR wirklich so nötig war, wie sie geschah, um daraus „blühende Landschaften“ (der damalige Bundeskanzler Kohl) zu entwickeln, bleibt selbst über 20 Jahre später sehr fraglich. Gerade hier war die Erwartung nicht so, dass man aus sich selbst heraus wieder etwas Neues entwickeln muss, sondern dass es von außen, aus der Vereinigung mit dem Paradies nun kommt. Aber irgendwie geht es immer weiter. Das Pleiteland Argentinien hat sich nach 10 Jahren vorbildlich erholt. Die amerikanische Autoindustrie, die noch vor 2010 nach Meinung vieler Experten dicht machen sollte, hat sich 2012 unter großen Kosten (siehe obiges Beispiel des Lohnverzichts) erholt. Menschen kommen einzeln oder auch in ihren Gruppen immer wieder in Krisen, die sie sich zum großen Teil selbst bereiten, ohne dass sie es beabsichtigen. Wenn es keine mörderischen Kriegskrisen sind, ist der Blutzoll Gott sei Dank gering, obwohl manche Menschen auch an den Entwicklungen verzweifeln. Die meisten Menschen lernen dann auch irgendwie mit den Emotionen umzugehen, die wirtschaftliche Krisen mit sich bringen. Eine Welt zu schaffen, die von jeder Krise verschont bleibt, erscheint illusionär. Solange der Staat, wie es zumindest in den reichen Ländern der Fall ist, in der Lage ist, die Folgen für die Betroffenen abzufedern, geht es um marginale Verluste, aber nicht um existentielle. Dies bleibt zu berücksichtigen. Denn oft werden sowohl die Notwendigkeit eines wirtschaftlichen Einschnitts wie auch dessen Folgen überdramatisiert. Dennoch sind bei Entscheidungen über die Arbeitsplätze von Menschen ein sorgfältiges Abwägen und keine reflexartige Managementlogik, erst recht nicht von Managern, die wenig Lebenserfahrung haben, geraten.
Das Beratersystem: Beratersysteme kommen in der Regel von der Unternehmensleitung gerufen in die Organisationen. Sie haben einen Auftrag und leider weit seltener eigenes professionelles Standing. Sie folgen einer Entscheidung und unter der Hauptüberschrift Beratung versteckt sich oft nur eine Umsetzungsbegleitung, die die getroffenen Entscheidungen „weichspülen“ und dem Management Schwierigkeiten in der direkten Konfrontation mit den Mitarbeitern abnehmen soll. Dafür sind die geschulten Menschenarbeiter „doch geeigneter und besser“. Die erzählen dann auch etwas von „Krise als Chance“ und dass Veränderungsfähigkeit so eine wichtige Kompetenz sei. Insofern kanalisieren die Unternehmensberater zumindest oft das Bad-Guy Image auf sich, obwohl sie damit nur teuer bezahlte Blitzableiter sind. Beratersysteme bringen aber noch eine zusätzliche Logik hinein. Sie müssen sich durch ihre Vorschläge oder Auswirkungen mindestens refinanzieren. Dies bedeutet, dass die mehrere hunderttausend Euro, die eine populäre Beratungsfirma mindestens kostet, durch Arbeitsplatzabbau und Senkung der Personalkosten bezahlt werden muss. Jede hunderttausend Euro kosten dabei mindestens zwei Arbeitsplätze im beratenen Betrieb, so eine Faustregel.
Gute Berater hingegen, prüfen sehr gut, welche Prozesse sie wirklich mittragen wollen und wie das Menschliche wirklich Platz findet. Geht es nur um Macht und darum, dass die Legitimations-, Belohnungs- und Bestrafungsmacht, die ein Management hat, nur mittels Kommunikationsmacht ergänzt wird, ist das für wirkliche Beratung zu wenig. Beratung fängt immer vor der Entscheidung an, sonst hat sie den Namen nicht verdient. Und wenn dann nicht alle Optionen, auch das innere Wachstum des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses als Option einbezogen wird, sollte man es auch nicht Beratung nennen.
Zunächst wäre die betriebswirtschaftliche Ebene zu beachten: Die Kostenersparnisse sind oft tatsächlich irgendwann zeitweise nachzuweisen. Dazu werden die für die Leistung zu bezahlenden Kosten in der Regel so gefasst, dass sie einen Erfolg ausweisen. Dabei sind steuerliche Aspekte trotz der dann anfallenden Mehrwertsteuer outsourcingfördernd. Allerdings werden zunächst hohe Kosten, die so genannten Übergangskosten (transition costs) verursacht. Die betriebswirtschaftliche Ebene der Kosten überzeugt nur auf den ersten Blick. Dass auch die im Unternehmen verbleibenden Steuerungskosten der Lieferanten, Qualitätseinbußen und ständige Reibungsverluste oft nicht gering sind, hat schon manche Firma dazu bewogen, nach einiger Zeit zwar nicht offiziell den Schritt rückgängig zu machen, aber unter neuer Überschrift wieder ein Insourcing zu gestalten.
Die Ebene der Erwartungen an ein Management: Nicht selten werden Sourcingentscheidungen von neuen Führungskräften gefällt, die damit ihre Managementqualifikation nachweisen können. Ein Management muss mit Vorzeigbarem handeln. Wie bei einer Reihe verlorener Spiele das Management eines Fußballvereins den Fußballtrainer wechselt, was nachgewiesenermaßen etwa in 50 % der Hälfte nützt, wird auch im Unternehmen vorzeigbar gehandelt, oft sogar ohne Not. Ich hörte einen Vorstand zu seinen Mitarbeitern sagen: „Sie werden doch verstehen, dass wir als Management von Zeit zu Zeit unsere Bereiche überprüfen müssen. Und jetzt sind Sie mal dran. Dazu haben wir eine objektive, von außen kommende Unternehmensberatung verpflichtet, die darauf schaut, wie ein zukunftsgerichteter Bereich aufgestellt sein kann.“ Gerade in Zeiten der Professionalisierung des Managerberufes werden von den Managern vermeintlich bestimmte Insignien ihres Tuns erwartet. Allerdings sind in diesem Vorgehen und auch in der beispielhaften – vielleicht zunächst plausiblen - Aussage einige fundamentale Abwertungen enthalten. Es bedeutet nämlich, dass die Bereiche bisher nicht genügende interne Ressourcen und Verbesserungen erarbeiten konnten, was man durchaus als Managementfehler sehen kann. In der Praxis dieses Falles waren die Leute aber bis zum Zeitpunkt der Verkündigung des Restrukturierungsprojektes sehr engagiert und immer führend in ihrer Expertise gewesen. Prompt führte das Projekt auch dazu, dass insbesondere vom betroffenen Mittelmanagement keine konstruktive, sondern nur eine angepasste Unterstützung des Projektes erfolgte. Auch den Menschen in den Managementpositionen war ein vernichtendes Urteil ihrer Tätigkeit ausgestellt worden. „Wir können ja auch nichts machen“, war entsprechend die Reaktion den Mitarbeitern gegenüber, „Das liegt alles schon fest.“ Damit hatte das Management seinen eigentlichen Sinn verloren. Die Mitarbeiter fühlten sich noch mehr im Stich gelassen, nachdem ihre Arbeit durch den Vorstand schon verunglimpft worden war. Im Grund gab es kaum Betroffene, die das Neue enthusiastisch aufzubauen bereit waren. Es sollte eine pflegeleichte Umstrukturierung werden, entpuppte sich allerdings als ein Schrecken ohne Ende. Eineinhalb Jahre nach dem Projektbeginn wurde ein neues Projekt zur Optimierung des Bereiches gestartet. Eine Restrukturierungsentscheidung aus „Jux und Tollerei“ von Seiten eines empathielosen Managements ist also nicht zu empfehlen.
Die persönliche Ebene: Die persönliche Ebene ist eng verwandt mit der vorhergehenden, der Rollenebene des Managers. Welche persönlichen Attribute führen zu Entscheidungen, die ganze Bereiche und Unternehmen umkrempeln? Gerade neue Manager wollen sich als „neuer Besen, der gut kehrt“ beweisen. Oft werde sie von den Alteingesessenen auch gerade wegen einer solchen Aufgabe verpflichtet. Wenn Sie es nicht schaffen, kann man sich wieder von ihnen trennen. Insofern spielen bestimmte persönliche Muster der Manager, etwa sich zu beweisen oder zu „zeigen, was man für ein Kerl ist“, hier mit hinein. Persönliche Gründe für eine Restrukturierung sind in der heutigen Zeit nicht zu rechtfertigen.
Die technische Ebene: Die einzig nachvollziehbaren Gründe für eine Restrukturierung sind technische Gründe. Ein neues technische Produktionsverfahren oder eine neue IT-Landschadt sind entwickelt worden, die zu maßgeblichen Veränderungen Anlass geben. Dies hat – wie etwa die Auslagerung vieler bisher interner Vorgänge etwa des Einkaufs auf den Kunden – natürlich auch gravierende Auswirkungen auf die Arbeitsplätze. Leistet der Kunde große Teile des Bestellvorganges und berät sich selbst anhand von bereitgestellten Tools gehen hier personale Dienstleistungen verloren.
Allerdings gibt es dennoch viel mehr Restrukturierungen als es technische Gründe gibt. Und nicht alle Manager und Personen, die Veränderungen anzetteln, sind alleine so mächtig. Was steckt also noch dahinter? Nun verlassen wir die Perspektiven, die sich auf den engeren Kreis des Unternehmens beziehen und gehen zum Background, auf dem das Unternehmen steht.
Die volkswirtschaftliche Ebene: Durch die Globalisierung ist eine Konkurrenz zwischen den einzelnen Volkswirtschaften der Welt und den Unternehmen entstanden, die keine Grenzen mehr kennt. Restrukturierungen mit der typischen Folge der Lohnsenkung könnte man als Teil der großen, gigantischen weltweiten Lohnanpassung betrachten, die die Löhne zwischen den so genannten Schwellenländern und den hochentwickelten Industrieländern mittelfristig anpasst. Denn es gibt keine ökonomischen Gründe, die für nahezu gleiche Produktionen eine Lohndifferenz rechtfertigen würde. Folgerichtig werden sich die Löhne angleichen. Dies bedeutet für Chinesen, Inder und Brasilianer, dass deren Löhne tendenziell steigen werden. Für Westeuropäer und Nordamerikaner werden sie sinken. Dies wird durch viele kleine Schritte in den Industrieländern bewirkt.
Die soziologische Ebene: Man muss im Ganzen natürlich zwischen Ursache und Wirkungen unterscheiden. Aber oft zeigt sich in der Wirkung eine verborgene Ursache. Die Spreizung der Gesellschaft nimmt durch die Aushöhlung des Mittelstandes zu. Dazu tragen Lohnsenkungen oder ein quasi Einfrieren der Lohnsteigerungen wie in Deutschland seit 1995 bei. In den USA ist der Mittelstand in den letzten sechs Jahren von 50 Prozent auf 42 Prozent zurückgegangen. Dies ist in Marktwirtschaften ein immer wieder vorzufindendes Phänomen, dem die Wirtschaftspolitik mittels Verteilungsinterventionen natürlich korrektiv entgegenwirken kann. Aber zunächst ist der Prozess erfahrungsgemäß eine Spreizung: die Reichen werden reicher, die Armen werden zahlreicher und relativ ärmer. Für bestimmte konservative Kreise bestätigt dies ihr Welt- und Menschenbild von mehr und minderbegabten Menschen. Allerdings kann man in dieser Wirkung kaum eine Ursache sehen, da die wirtschaftlichen Eliten in der Regel mehr davon haben, wenn sie keiner verelendeten Masse ohne Kaufkraft gegenüberstehen. Allerdings ist der Aspekt der Spreizung der Gesellschaft ein wirtschafts- und gesellschaftspolitisch hoch brisantes Thema.
Die Systembeziehung "Organisation - Mitarbeiter": Wie reagieren eigentlich Mitarbeiter auf die großen "Umkrempelungsaktionen" in Organisationen (Unternehmen, Institutionen, ...)? Sie sind zunächst privat-emotional betroffen, denn Sicherheit und Struktur werden in Frage gestellt. Häufig sind ihre Lebensplanungen mehr „auf Kante genäht“ als die der Betuchten, was bedeutet, dass sie ihre privaten ökonomischen Entscheidungen so getroffen haben, dass sie auf das bisherige Einkommen angewiesen sind. Das heißt, sie werden ihr privates ökonomisches Verhalten ändern müssen. Außerdem: Nach einer gravierenden Umstrukturierung ist ein Unternehmen als Gemeinschaft nicht mehr das, was es vorher war. Es verändert als wahrgenommene Beziehungspartner die Qualität, wird weniger verlässlich. Die, die bleiben, werden unter dem Survivor-Syndrom leiden. Diesmal haben wir „überlebt“, aber beim nächste Mal sind wir dran. Unternehmen sind immer mehr zu Lebensabschnittsgefährten geworden.
Es ist also einiges zu beachten. Und Gedankenlosigkeit über die verschiedenen Ebenen ist kein guter Ratgeber. Aber da ist noch mehr.
Die überpersonale Ebene: Es gibt keine Sicherheit im Leben. Letztlich sind die Einzelentscheidungen von Managements einer langfristig logischen Betrachtung entzogen. Wirtschaftliche Prozesse - und insbesondere Umstrukturierungen, wie sie heute üblich sind - haben etwas mit Zerstörung zu tun, Zerstörung von Materiellem, von Hoffnungen, von Chancen, von Täuschungen und Illusionen. Meist kommt einiges davon sogar zusammen. Zerstörung ist ein harter Terminus, weil sie das Gegenteil des fließenden Übergangs darstellt. Daher ist dies sehr umstritten. Spirituell würde man es eher Vergänglichkeit nennen. Dies ist vornehmer, ändert aber nichts. Manche bekannten Ökonomen wie der Konservative Schumpeter oder der Linke Marx haben auf die Notwendigkeit der Zerstörung, um sich für neuen Stufen bereitzumachen, hingewiesen. Aber ob radikale Zerstörungen, etwa die Zerstörung der deutschen Industrie im 2. Weltkrieg nicht gerade als Zwang zum Neuaufbau die Wurzel des deutschen Wirtschaftswunders war, kann man nur schwer entscheiden. Es liegt allerdings verglichen beispielsweise mit Großbritannien nahe. Man hätte in Deutschland doch auch in Depression verfallen können. Aber vielleicht war gerade die Verbindung von Konstanz, einer gut ausgebildeten und motivierten Arbeitnehmerschaft mit dem aus der Zerstörung notwendigen Neuen das Geheimnis, also doch Kontinuität und total Neues. Der Push und die Anreize der Amerikaner haben dies unterstützt. Ein zweites Beispiel: Ob die Zerstörung der Wirtschaft der ehemaligen DDR wirklich so nötig war, wie sie geschah, um daraus „blühende Landschaften“ (der damalige Bundeskanzler Kohl) zu entwickeln, bleibt selbst über 20 Jahre später sehr fraglich. Gerade hier war die Erwartung nicht so, dass man aus sich selbst heraus wieder etwas Neues entwickeln muss, sondern dass es von außen, aus der Vereinigung mit dem Paradies nun kommt. Aber irgendwie geht es immer weiter. Das Pleiteland Argentinien hat sich nach 10 Jahren vorbildlich erholt. Die amerikanische Autoindustrie, die noch vor 2010 nach Meinung vieler Experten dicht machen sollte, hat sich 2012 unter großen Kosten (siehe obiges Beispiel des Lohnverzichts) erholt. Menschen kommen einzeln oder auch in ihren Gruppen immer wieder in Krisen, die sie sich zum großen Teil selbst bereiten, ohne dass sie es beabsichtigen. Wenn es keine mörderischen Kriegskrisen sind, ist der Blutzoll Gott sei Dank gering, obwohl manche Menschen auch an den Entwicklungen verzweifeln. Die meisten Menschen lernen dann auch irgendwie mit den Emotionen umzugehen, die wirtschaftliche Krisen mit sich bringen. Eine Welt zu schaffen, die von jeder Krise verschont bleibt, erscheint illusionär. Solange der Staat, wie es zumindest in den reichen Ländern der Fall ist, in der Lage ist, die Folgen für die Betroffenen abzufedern, geht es um marginale Verluste, aber nicht um existentielle. Dies bleibt zu berücksichtigen. Denn oft werden sowohl die Notwendigkeit eines wirtschaftlichen Einschnitts wie auch dessen Folgen überdramatisiert. Dennoch sind bei Entscheidungen über die Arbeitsplätze von Menschen ein sorgfältiges Abwägen und keine reflexartige Managementlogik, erst recht nicht von Managern, die wenig Lebenserfahrung haben, geraten.
Das Beratersystem: Beratersysteme kommen in der Regel von der Unternehmensleitung gerufen in die Organisationen. Sie haben einen Auftrag und leider weit seltener eigenes professionelles Standing. Sie folgen einer Entscheidung und unter der Hauptüberschrift Beratung versteckt sich oft nur eine Umsetzungsbegleitung, die die getroffenen Entscheidungen „weichspülen“ und dem Management Schwierigkeiten in der direkten Konfrontation mit den Mitarbeitern abnehmen soll. Dafür sind die geschulten Menschenarbeiter „doch geeigneter und besser“. Die erzählen dann auch etwas von „Krise als Chance“ und dass Veränderungsfähigkeit so eine wichtige Kompetenz sei. Insofern kanalisieren die Unternehmensberater zumindest oft das Bad-Guy Image auf sich, obwohl sie damit nur teuer bezahlte Blitzableiter sind. Beratersysteme bringen aber noch eine zusätzliche Logik hinein. Sie müssen sich durch ihre Vorschläge oder Auswirkungen mindestens refinanzieren. Dies bedeutet, dass die mehrere hunderttausend Euro, die eine populäre Beratungsfirma mindestens kostet, durch Arbeitsplatzabbau und Senkung der Personalkosten bezahlt werden muss. Jede hunderttausend Euro kosten dabei mindestens zwei Arbeitsplätze im beratenen Betrieb, so eine Faustregel.
Gute Berater hingegen, prüfen sehr gut, welche Prozesse sie wirklich mittragen wollen und wie das Menschliche wirklich Platz findet. Geht es nur um Macht und darum, dass die Legitimations-, Belohnungs- und Bestrafungsmacht, die ein Management hat, nur mittels Kommunikationsmacht ergänzt wird, ist das für wirkliche Beratung zu wenig. Beratung fängt immer vor der Entscheidung an, sonst hat sie den Namen nicht verdient. Und wenn dann nicht alle Optionen, auch das innere Wachstum des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses als Option einbezogen wird, sollte man es auch nicht Beratung nennen.