Wettbewerbsfähigkeit - diese Zielsetzung wird oft benannt. Worum geht es hier eigentlich? Warum wird nicht Kooperationsfähigkeit gefordert? Nein, es geht um Wettbewerb, die sportliche Variante des Kampfes. Hier liege der Entwicklungsmotor, so heißt es. Wettbewerb belebe das Geschäft. Manchmal sagt man auch Konkurrenzfähigkeit. „Concurrere“ heißt eigentlich zunächst nur „zusammenlaufen. Im Englischen heißt es competitiveness, was so viel wie miteinander oder nebeneinander nach etwas streben bedeutet. Beide Begriffe haben allerdings den Transfer hin zum Sieg- und Niederlage-Bild geschafft. Das ist der Kern des Wettbewerbs.
Wir alle sollen den Wettbewerb gut finden. Seit der Regentschaft der neoliberalen Gedanken werden schon Kinder auf Wettbewerb getrimmt. Möglichst früh sollen sie Vorteile im Kampf um eine gute Position in der Gesellschaft erwerben. Zum Weltbild der neoliberalen Ideologie zählt auch die Vereinzelung der Menschen: Wenn jeder an sich selber denkt, ist an jeden gedacht. Die unsichtbare Hand des Marktes regele dann schon alles zum Geheimwohl. Sich selbst vertreten, selbst behaupten gegen andere, ist in der Erziehung ein wichtiges Element. Das Aufstellen von Rangfolgen, das Weniger- und Mehr- Sein wird im schulischen Notensystem trainiert.
Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit ist durch eine Veränderung vieler Arbeitsverhältnisse hin zu Minijobs, Scheinselbstständige und Teilzeitarbeit entstanden. Veränderung ist ein neutrales Wort und bezieht sich hier auf die finanziellen Bedingungen, zu denen viele Leute arbeiten müssen, aber auch auf die Arbeitsverdichtung, die sich sehr vielfältig bemerkbar macht. Symptomatisch sind nicht nur die Burnout – Krankheiten, die dramatisch zunehmen. Es ist auch die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, die für die Betroffenen mit vielfältigen Stresssymptomen verbunden ist. Konnten Mitarbeiter früher mit Mitte fünfzig aus dem Arbeitsleben ausscheiden, so ist dies heute nicht mehr möglich. Alle Beteuerungen, dass Mitarbeiter dann besonders erfahren und wertvoll sind, waren sowieso mehr Wunsch als Realität. Kaum jemand hat dies auch persönlich erfahren.
Aber der Staat entschied unter der Führung Gerhard Schroeders mit der Agenda 2010 und den Arbeitsmarktreformen eine stärkere Verantwortungsübertragung auf die Arbeitnehmer. Hintergrund waren die enormen Kosten, die durch Vorruhestandsregelungen gerade auch vom Staat getragen werden mussten. Der Staat wollte den großen Unternehmen nicht mehr regelmäßig die Verjüngung ihrer Belegschaften bezahlen. Nun sind diese Lasten bei den Unternehmen und den Arbeitnehmern. Für die älteren Arbeitnehmer zeigt sich insbesondere durch die dynamische Technikentwicklung eine sehr herausfordernde Lage. Unternehmen sehen sich selbst ständig unter Kostendruck und versuchen mit allen Mitteln, ihre Kosten zu senken. In diese Logik passen ältere Menschen nicht so gut hinein. Zusätzlich wird auch Outsourcing genutzt, d.h. in der Regel auch die Verlagerung der Arbeitnehmer in niedrigere Vergütungssysteme. Ganze Zuarbeitsbranchen mit Niedriglohnniveaus sind entstanden.
In Griechenland wurde von EU, EZB und IWF das Ziel höherer Wettbewerbsfähigkeit aufgestellt. Heute sind die Schulden höher als vor Beginn der Unterstützung. Ebenso ist die Arbeitslosigkeit höher, die Armut ist größer, das Gesundheitssystem ist schlechter, das Bildungssystem gibt weniger Chancen. Wettbewerbsfähigkeit scheint etwas zu sein, dass vor allem Kosten bei denen produziert, die wenig zuzusetzen haben.
Der Wettbewerb wird auch auf höchster Ebene, den Welthandelsabkommen oder auch den EU-Behörden propagiert. Andererseits erscheint der Wettbewerb auch wie die Fortsetzung des Krieges mit friedlichen Mitteln. Damit dies nicht ausufert, ist er auf eine ständige Kontrolle angewiesen. Die Superweltordnung sieht so aus, dass alle Menschen sich als Marktteilnehmer im Wettbewerb begegnen. Darüber steht ein Weltpolizist, der wacht, dass nicht einzelne Schurken ihr eigenes Ding machen. Auf Länderebene sind Kriege aufgrund der Waffenarsenale nach dem fürchterlichen 20. Jahrhundert aus der Mode gekommen. Der Weltpolizist, im Augenblick Amerika, glaubt hier für die Oberhand in der Machtausübung sorgen zu müssen. Das ist die Lehre, die die Amerikaner wohl aus dem 20. Jahrhundert gezogen haben, nachdem sie zunächst immer zurückhaltend waren. Selbst Obama, der als ganz anderer Angetretene kann sich dieser Systemlogik nicht entziehen.
Auf der Ebene der Wirtschaft ist der Krieg verbannt, dort ist der Wettbewerb das Musterbild. Eher schon dient der Sport als Modell. Es gibt Zahlen und Tabellen, in denen man Erfolg und Niederlage der einzelnen Länder ablesen kann. Zur Not werden Länder, die sich abschotten, aber auch in den Wettbewerb gezwungen. So wurde kürzlich Burma/Myanmar in das Weltwirtschaftssystem reintegriert. Dies hat Tradition. Gerade asiatische Länder haben der Wettbewerbsorientierung des Westens, die in früheren Jahrhunderten mit imperialistischen Kriegen einherging, nicht getraut. So erging es Japan und China im 19. Jahrhundert. Nach der Jeremy-Blockade wurde Japan und nach dem Boxer-Aufstand wurde China in den Welthandel gezwungen.
Kooperation als Maxime der Wirtschaft aufzustellen, wäre eine neue Richtung. Denn persönlich mag kaum jemand den Wettbewerb an sich. Er wird als notwendig angesehen, weil man ja überleben müsse und die Güter knapp seien. Dabei sind sowohl das Überlebensmotiv wie auch das Knappheitsparadigma bei genauem Hinschauen in den meisten Gesellschaften nicht mehr wirklich relevant. Sie werden nur noch aus Gewohnheitsgründen aufrechterhalten. In Wirklichkeit geht es nicht um Überleben, sondern meist um luxuriöse Marginalien. Es liegt keine Knappheit vor, sondern allenfalls ungerechte Verteilung. Ohnehin lieben die meisten Menschen Harmonie und solidarisches Zusammenwirken. Dies gilt im Westen, vor allem aber auch in den heute aufstrebenden asiatischen Ländern. Aber solange einseitig das Kompetitive als Heilsmechanismus propagiert wird, bleibt das Kooperative auf der Strecke. Es wird immer weiter eine herrschende Aufmerksamkeit gepflegt, die die Menschen an ihrem wahren Wesen vorbeiführt, dass sie nämlich eigentlich kooperativ sind.