Frederik Laloux ist gerade der Star der internationalen Managementszene. Der ehemalige McKinsey-Berater hat es mit seiner Art und seinem Ansatz geschafft, zu einer der momentan meist zitierten Personen in der Organisationsentwicklung zu werden. Es stellt sich allerdings die Frage: Handelt es sich bei seinem Ansatz um alten Wein in neuen Schläuchen oder um einen wirklichen Paradigmenwechsel?
Laloux geht von der Grundthese einer Unzufriedenheit der Menschen mit den bestehenden Organisationsformen aus. Die Gallup-Studie ergebe mit großer Konstanz seit einigen Jahren, dass nur zwischen 13 % und 17 % der Mitarbeiter hoch engagiert seien. In vielen beruflichen Betätigungsfeldern verließen engagierte und vor allem die an ganzheitlichem Sich-Einbringen in den Beruf interessierten Leute die Organisationen. Laloux beklagt dies nicht, sondern sieht darin ein gutes Zeichen. Etwas Neues kündige sich an. Gesellschaftliche und organisationale Entwicklung zeige sich in Sprüngen.
Der Hauptpunkt, dass das Alte nicht mehr funktioniere, liege in der Unfähigkeit der Hierarchie Komplexität zu bewältigen. Alle komplexen Systeme in der Natur würden nicht mit Hierarchie gesteuert, sondern per Selbststeuerung. „Kein komplexes System funktioniert mit Hierarchie“. Als Beispiel wird das menschliche Gehirn angeführt. Im Gehirn mit seinen 85 Mrd. Nervenzellen sage keiner: Ich bin jetzt mal Geschäftsführer. Wenn Ihr eine Idee habt, schickt sie mal vorbei! Andere Beispiele für komplexe, selbststeuernde Systeme seien Zellen, Pflanzen, Bäume, der ganze Wald. Alle würden sich durch Selbstorganisation steuern. Für niedrige Komplexität könnten hierarchische Lösungen funktionieren, aber nicht für hohe Komplexität. Bei der These, dass Hierarchie nicht in der Lage ist, hohe Komplexität zu bewältigen, fallen einem sofort aus der jüngeren Unternehmensgeschichte die Beispiele VW und Deutsche Bank ein, bei der die obersten Hierarchen offensichtlich klar vorgaben „Ihr habt gefälligst genau die von uns vorgegebenen Ziele zu erreichen“. Und sie haben noch den mehr oder weniger ausgesprochenen Zusatz hinzugefügt. „Aber wir wollen nicht wissen wie ihr das tut!“ Zusammen mit lockenden Bonifizierungen war damit illegalen Praktiken der Weg bereitet. Die beiden Unternehmen kämpfen mittlerweile mit Milliardenstrafzahlungen und letztlich um ihre Existenz. Nun kommt Laloux mit seiner Enthüllung. Er wolle gar nicht auf die Probleme schauen. Denn er habe in seiner Recherche eine ganze Menge Organisationen gefunden, die nach ganz anderen, nach neuen Prinzipien funktionierten.
Schlussfolgerung: Was ist neu an den neuen Ansätzen?
Die Antwort ist: „im Prinzip nichts“. Alles wurde schon mal angedacht. Aber der Kontext und die Zeit sind anders. Der Personal- und Arbeitsmarkt (VUCA-World) ist durch die relative Knappheit des Fachkräfteangebotes und das Auftreten einer neu orientierten Generation (Generation Y) anders geworden. Interessant ist aber auch ein anderer Zusammenhang. Der weitgehenden Beteiligung und Selbstorganisation steht heute eine andere Bewegung zur Bewältigung der Komplexität gegenüber. Der Kitsch ist dabei, die Macht zu übernehmen, wie es der Innsbrucker Professor Pelinka beschreibt (Pelinka, 2010). Was Kitsch in der Kunst ist, das Vereinfachte, Simplifizierte, einen oberflächlichen Alltagsgeschmack Befriedigende, stellt der Populismus in Gesellschaft und Politik dar. Die Komplexität der Welt, sowohl die emotionale aber auch schon die kognitive, wollen viele Menschen einfach nicht mehr realisieren. „Postfaktisch“ wird die Sichtweise, man hat „alternative Fakten“. Gerade auf diesem Hintergrund ist das Ausprobieren und Weiterdenken demokratischer Verfahren gerade in der Wirtschaft höchstwichtig und dazu gehören die neuen Organisationsmodelle. Die Chance wäre da, aber die Köpfe (Bezugsrahmen, kulturelles Skript) müssen frei werden und dieses Gegenmodell zum Populismus muss mit aktiver Verantwortung getragen werden.